www.taktklar.de - 11.04.2002
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Autor: Monika Klahr (E-Mail: MonikaKlahr@gmx.de)


  Lýsa - Mit einer alten Stute durch dick und dünn

Weihnachten 1995 traf ich meine Lýsa (Isländer) zum ersten Mal. Sie war als Reitbeteiligung in der Zeitung inseriert. Mein Mann wusste, dass ich der wöchentlichen Reitstundenroutine müde geworden war und machte mich auf die Annonce aufmerksam. Anschauen kostet ja nichts...
So nahmen die Dinge ihren Lauf: Gegen die übliche Schmied-/Unkosten- und Arbeitsbeteiligung fing ich an, 1-2 mal die Woche mit den Besitzern auszureiten. Anfangs nur extrem vorsichtig, da ich kurze Zeit vorher ziemlich unsanft und vor allem unfreiwillig den Rücken eines Schulpferdes verlassen hatte.


Lýsa (24-jährig), (V: Gullkollur fra Rejkum) / alle Fotos: Marcel Hasübert
Obwohl Lýsa davor 2 Jahre mehr oder minder vom Menschen unbehelligt in ihrer kleinen Herde verbracht hatte und gemäß der ihr eigenen Art bestimmt ganz andere Vorstellungen von Zeitvertreib hatte, trug mich die damals 20-jährige Stute sicher durch Feld und Wald. Das heißt nicht, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt allzu viel hätte sagen lassen – das nicht – aber sie
hat immer dafür gesorgt, dass mir nichts passiert. Manche sagen, sie hat mich eben mitgenommen...

Es dauerte über 1 Jahr bis wir „uns hatten“. Knackpunkt war ein schöner Frühlingstag an dem wir auf dem nahegelegenen Gestüt nach einer Reitstunde für den Heimweg von Stallkameraden abgeholt werden sollten. Doch alle hatten mich versetzt und ich stand vor der Aufgabe, alleine nach Hause zu reiten. Aufgrund meiner immer noch vorhandenen Panik wegen des gehabten Sturzes war ich natürlich in heller Aufregung, in welchem Tempo meine Lýsa wohl mit mir loslaufen würde. Der Stall, die Kameraden und vor allem das Futter riefen ja geradezu...und sie kannte den Weg ja schon mindestens 10 Jahre länger wie ich...
Doch, wie noch viele Male in den folgenden Jahren, überzeugte mich dieses Pferd durch seine Verlässlichkeit. Sie lief zwar strammen Schrittes mit mir los, machte aber keinerlei Anstalten, kopflos mit mir davonzurennen. Spätestens als wir zu einem Waldstück kamen, wo über eine Strecke von ca. 30 Meter gefällte Bäume über dem Weg lagen, fand ich mein Vertrauen in dieses Pferd: Es gab weder rechts noch links Ausweichmöglichkeiten und so legte ich ihr die Zügel über den Hals und sagte ihr, wir müssten da durch... und wir kamen durch: Sie sortierte ihre 4 Beine durch diesen Baum-Salat, wo ich mit 2 Beinen sicherlich schon Probleme gehabt hätte. Und das, wo sie auf dem Reitplatz zu so etwas wie Stangenarbeit gar nicht zu bewegen war, aber da konnte man ja auch drum herum laufen! Ein praktisch veranlagtes Pferd eben.

So kam dann irgendwann 2 Jahre später die Entscheidung auf mich zu: Kaufe ich ein 22-jähriges Pferd mit chronischen Lungenproblemen oder nicht? Tagelang habe ich mit mir und meinem Geldbeutel gerungen, denn es war klar, dass ein nicht abzuschätzender Aufwand an Tierarztkosten bei dem älter werdenden Pferd auf mich zu kommen würde.
für Möhrchen tu’ ich alles...

Die Tatsache, dass sie in dem Fall, dass ich sie nicht kaufe, einen 12-Stunden-Transport nach Österreich antreten und dort in einem kommerziellen Reitbetrieb laufen sollte, hat meine Entscheidung damals sicherlich beeinflusst.

Doch habe ich mich ganz bewusst für sie entschieden, denn – noch völlig unerfahren mit Pferden wie ich damals war – war mir trotzdem klar, was für ein tolles Pferd ich da hatte. Ihr Können und Ihre Erfahrung waren für mich als Reitanfänger einfach unbezahlbar. Ihre tolle Abstammung fand ich erst sehr viel später heraus, als ich per Equiden-Pass ihren ‚Stammbaum’ zugeschickt bekam.


...für jede Blödsinn zu haben
Natürlich hat das Thema Gesundheit einen großen Platz eingenommen. Über das Bronchialsystem und den Bewegungsapparat des Pferdes, dessen verschiedene konventionelle und alternative Behandlungs-
möglichkeiten und deren Vor- und Nachteile bin ich heute bestens informiert.

Aber selbst ein Pferd, über das der Tierarzt eines Stallkollegen sagte, er wisse nicht, ob es mit dieser Lunge den nächsten Winter überlebt, kriegt man
mit Glück – was wir gottseidank hatten – wieder gesund. Ein guter Tierarzt, Engagement und viel Zeit für penible Pflege und Versorgung des Pferdes machen es möglich.

Obwohl das Gesundpflegen und Betreuen meiner Lýsa viel Zeit und Geld gekostet hat, habe ich meine Entscheidung von damals in keiner Sekunde bereut. Sie hat mir soviel gegeben, mich als unsicheren Anfänger durch den Wald getragen, mich bei Ehescheidung und anderem Unbill des Lebens getröstet, mich durch ihre Erfahrung und ihr Können immer sicher fühlen lassen und schlussendlich letzten Sommer 26-jährig auch noch vor Richtern des Marbacher Haupt- und Landgestütes mit (oder trotz) mir den Basispass Pferdkunde und das Longierabzeichen geschafft.

In der sowieso schon schrecklichen Woche im September 2001, am 15.09.2001, riss sie dann – für uns alle plötzlich und unvermutet – ein geplatzter Tumor an der Milz aus unserem Leben. Chronische Lungenprobleme, dicke Beine, Steifheit und vieles andere hatten wir zusammen so erfolgreich überwunden, dass selbst die Leute in der Klinik nicht glauben konnten, dass sie 26 und nicht erst 16 war. Aber dem geplatzten Tumor konnten wir alle, trotz kurzfristigster Reaktion des Tierarztes und Fahrt in die Klinik, nichts mehr entgegensetzen.

In unseren Gedanken wird sie immer bei uns sein...

An dieser Stelle möchte ich all den lieben Menschen danken, allen voran meinen Eltern, die mir geholfen haben wenn ich beruflich eingespannt war und es darum ging, zu füttern, spazieren zu gehen, auf den Tierarzt/Schmied zu warten, uns zu transportieren, oder meine vielen Fragen zu Gesundheit, Haltung und Training zu beantworten.
Ohne diese Hilfe wäre die sorgfältige Pflege eines Pferdes, egal wie alt, oft nicht möglich gewesen.

Genauso danken möchte ich der Familie Gessner vom Gestüt Nahetal (www.gestuet-nahetal.de), die nicht nur „Islandpferde zum Verlieben...“ züchten, sondern vor allem tolle Pferde mit Charakter und Verstand wie meine Lýsa.

Wer aufgrund des Artikels Kontakt mit mir aufnehmen möchte, kann dies gerne tun. Gerade meine Erfahrungen bezüglich Behandlung Bronchialsystem, Bewegungsapparat und ideale Haltungsformen für ältere Pferde gebe ich gerne weiter.

Mail: Monik1969@aol.com
Betreff: Lysa


 


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