www.taktklar.de - 20.10.2003
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Autor: Frische/Siepe-Gunkel (E-Mail: hallo@islandpferdehof-habichtswald.de)


  Die Unterschiede zwischen Materialprüfungen nach IPO und FIZO

Materialprüfungen nach IPO und FIZO: Unterschiede zwischen den Systemen, internationale und nationale FEIF- Prüfung

Im Jahre 2003 fanden in Deutschland 5 internationale FEIF-Prüfungen nach dem Schema FIZO statt, bei denen insgesamt ca. 150 Pferde geprüft wurden. Sowohl von den Reitern wie auch den zahlreichen Besuchern wurden die Veranstaltungen sehr interessiert aufgenommen. Das öffentliche Richten und die Kommentierung der vergebenen Noten war für alle Beteiligten völlig neu und machte die Veranstaltungen attraktiv und publikumswirksam. Trotzdem sind wichtige Informationen auf diesem Gebiet noch nicht hinreichend bekannt unter Islandpferdebesitzern und Züchtern, dem soll hiermit abgeholfen werden.

In diesem Artikel werden die wichtigsten Unterschiede zwischen der deutschen Materialprüfung nach IPO und der internationalen Materialprüfung FIZO nach dem Schema der FEIF dargestellt, allerdings wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben; beim Durchgehen der einzelnen Punkte werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten am ehesten klar.

I.Gebäude

1.Kopf
Die einzelnen Kriterien wie z.B. große Augen, Trockenheit des Kopfes, Ohransatz etc. sind die gleichen wie bei uns. Insgesamt wird aber strenger gerichtet, z.B. werden Punkte wie der Ohrenansatz (Kuhohren) oder die eingedrückte Nasenlinie (Araberknick) im Verhältnis härter beurteilt, wohingegen eine leichte Elchnase international etwas weniger ins Gewicht fällt. Enge Ganaschen werden sehr streng beurteilt, da sie reiterlich nachteilig sind.

2. Hals, Schulter, Widerrist
An der Aufzählung der Punkte wird bereits deutlich, dass es hier Unterschiede zum IPO-System gibt: hier heißt es nämlich Hals, Schulter, Brust. International wird der Widerrist in den Hals mit einbezogen, nach IPO in den Punkt Rücken und Kruppe. Hals und Schulter selbst werden international und deutsch gleich gerichtet. Brust wird in den Proportionen mit beurteilt, s.u.

3. Rücken und Kruppe
Die theoretischen Grundlagen sind bei beiden Systemen im Prinzip gleich. In der Praxis liegen Unterschiede darin, dass international der Bemuskelung des Rückens mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird sowie der Form der Kruppe (von hinten gesehen).

4. Proportionen
In diesen Punkt wird die Brustbreite mit einbezogen. Auch hier sind die Beurteilungsgrundlagen in beiden Systemen dieselben; international liegt der Schwerpunkt allerdings deutlich auf dem zylindrischen Körper, eine tiefe Brust verbunden mit flachen Rippen wird negativ gesehen. Gewünscht wird das eher langbeinige Pferd, wobei in der Praxis auch weniger langbeinige Pferde, die schön proportioniert und ausdrucksvoll sind maximal eine 8,5 bekommen können.

5. Gliedmaßen

a) Qualität

Hier sind deutliche Unterschiede zwischen IPO und FIZO zu finden in der Aufteilung der Kriterien, weniger in den Inhalten. International werden zur Beurteilung der Qualität der Beine diese seitlich betrachtet; hierzu gehören Dinge wie z.B. weich gefesselt, vorbiegig, rückbiegig etc., in Deutschland wird dies unter dem Merkmal Stellung beurteilt. International wünscht man sich seitlich gesehen einen deutlichen Abstand zwischen den Sehnen und dem Röhrbein, das Maß dafür wird kurz unterhalb des Karpalgelenkes mit einer Schieblehre gemessen und notiert, als weitere Grundlage für entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen. In Deutschland wird das aufgrund mangelnder wissenschaftlicher Untersuchungen nicht für so wichtig für die Stabilität der Beine gehalten. In beiden Systemen ist die Trockenheit der Beine und die Dicke der Sehnen sowie ihre Textur (d.h. grundlegende Beschaffenheit) entscheidend wichtig.

b) Stellung

Wird international und in Deutschland von vorne und hinten beurteilt, in Deutschland kommen noch die oben beschriebenen Kriterien von der Seite betrachtet dazu. In beiden Systemen wird eine leichte Gelenkschiefe toleriert.

6. Hufe
Beiden Systemen liegen dieselben Bewertungsgrundlagen und dieselbe Aufteilung der Kriterien zugrunde. International wird immer in den Huf hineingegriffen, um die Dicke des Horns zu bewerten. Auch hier handelt es sich genau wie bei der Dicke der Sehnen in hohem Maße um einen Erfahrungswert!

7. Langhaar
Betrifft Mähne und Schweif und wird dem Gebäude zugerechnet mit einem sehr geringen Faktor von 1,5.

Insgesamt gesehen werden bei der Errechnung der Endnote für das Gebäude andere Einzelfaktoren benutzt als in Deutschland.Alle Pferde werden ausführlich vermessen, die Maße werden auf dem Richtbogen notiert. Bei Unsicherheiten z.B. bei der Beurteilung der Proportionen werden evtl. die gewonnen Maße als Entscheidungshilfe von den Richtern mit herangezogen.


II. Reiteigenschaften

Bei der Gangbeurteilung wird inzwischen international auf genau dieselben Dinge Wert gelegt wie bei uns in Deutschland. Die Leitgedanken in beiden Systemen unterscheiden sich nur unwesentlich, allerdings wird für Pass immer eine Note vergeben, wenn er gezeigt wird. Die Formalien in den beiden Systemen unterscheiden sich jedoch in einigen wichtigen Punkten:

FIZO:
- Es darf nur auf gerader Strecke geprüft werden, um den Charakter und das        Temperament des Pferdes beim Wenden besser beurteilen zu können und um mangelnde Kurventechnik bei jungen Pferden nicht negativ miteinzubeziehen
- Die Mitarbeit des Pferdes, seine „Willingness“, wird beim Anhalten, Wenden und wieder Anreiten besonders kritisch betrachtet, evtl. Widersetzlichkeiten werden gut erkannt
- Die Pferde dürfen nur mit 8er Eisen beschlagen sein
- Das Gewicht des Schutzmaterials darf maximal 120g wiegen und soll von dunkler Farbe sein
IPO:
- Es darf auch auf der Ovalbahn geprüft werden
- Die Pferde dürfen vorne 10er Eisen tragen
- Das Gewicht des Schutzmaterials darf bis maximal 250g betragen, falls ein besonderer Schutz für das Röhrbein (Gamasche) erforderlich ist
- Glocken oder Ballenboots ebenfalls bis 120g
- Erfordert insbesondere bei jungen Pferden eine hinreichende Ausbildung in der Kurventechnik für eine gute Bewertung

a) Galopp
Muss international im langsamen und im schnellen Tempo gezeigt werden für eine gute Note, beide Noten werden getrennt aufgeführt, allerdings wird abschließend nur eine Note vergeben. Kreuzgalopp beim Zulegen gibt keine Wertung, das Pferd soll zulegen können ohne zu wechseln.

b) Trab
Für eine gute Note ist keinesfalls wie oft behauptet wird nur die Geschwindigkeit in der Gangart entscheidend. Genau wie beim Richten nach IPO muss auch beim Richten nach FIZO die Bewegung weit, hoch und schwungvoll mit Flugphase sein, damit das Pferd eine gute Note erhält.

c) Tölt
Ein Tempo allein reicht international nicht, das Pferd muss für eine gute Note auch langsames Tempo Tölt zeigen, deutlicher Tempowechsel mit reinen Übergängen ist für eine gute Note in der Gangart erforderlich. Im Arbeitstempo Tölt soll für eine gute Bewertung auch hier Bewegung und Takt beibehalten werden. Wenn langsames Tempo Tölt nicht gezeigt wird, kann das Pferd maximal eine Note von 8.0 erhalten. Wenn nur Arbeitstempo Tölt gezeigt wird, ist die höchstmögliche Note 8,5. Genau wie im Galopp werden  beide Noten für den Tölt notiert, allerdings wird auch hier abschließend nur eine Note vergeben.

d) Pass
Die Leitgedanken bei der Notenvergabe sind im Prinzip in beiden Systemen ähnlich. Wenn bei einer Materialprüfung nach FIZO Pass gezeigt wird, wird eine Note bis 10,0 für diese Gangart vergeben und diese fließt in die Bewertung ein. Auch Pass im Antritt bekommt eine Note, Schweinepass hingegen erhält eine 5,0. Hierdurch soll eine Tendenz in der Gangveranlagung des Pferdes gezeigt werden, die dem Züchter als Kriterium an die Hand gegeben werden soll. Bei der deutschen Prüfung nach IPO fließt eine Bewertung für den Pass erst ab einer Note von 7,0 in die Gesamtbewertung ein, um „unguten Pass“ zu vermeiden.

e) Schritt
Wird nur auf einer kürzeren markierten Strecke vor den Richtern gezeigt, muss nicht auf der gesamten Länge der Strecke geritten werden, er darf international etwas schneller geritten werden.

f) Spirit
Ist nach dem Schema der FIZO die Zusammenfassung von Temperament und Charakter. Entstanden ist diese Note aus unserer Leichtrittigkeitsnote, von der A. Sigurdsson so beeindruckt war, dass er den Begriff „Spirit“ ins Leben rief, was bedeutet das Temperament ist leicht reit- und händelbar.

Die Faktoren sind in den beiden Systemen zum Teil unterschiedlich, erreichen aber in der Addition in beiden Systemen dieselbe Gesamtverteilung, nämlich 40:60 (Gebäude/ Reiteigenschaften). Weitere Unterschiede in den beiden Systemen betreffen die Anzahl der Richter und die Art des Richtens:

- 2 Richter richten gemeinsam und müssen sich in der Notengebung einigen, bei mehr als 20 Pferden sind 3 Richter nötig
- Ein Reiterrichter ist bei internationalen Prüfungen, außer in Ausnahmefällen, nicht vorgesehen
- Bei einer nationalen Prüfung nach dem Schema FIZO (s.u.) kann das jeweilige Land einen Reiterrichter einsetzen
- Wenn die Anzahl der Pferde es zulässt, erfolgt während des Richtens eine öffentliche Kommentierung der Notengebung, so dass alle Beteiligten die Notengebung nachvollziehen können
- Die Kommentierung während des Reitens soll neben der Information der Zuschauer auch dem Reiter helfen, das Pferd möglichst optimal zu zeigen
- Ziel ist es in jedem Fall, dem Pferd die bestmöglichste Chance zu geben, und es möglichst natürlich zu beurteilen.
- Im 2. Durchgang, der sogenannten Übersichtsschau, ist es dem Reiter im Gegensatz zur IPO-Prüfung freigestellt, welche und wie viele Gangarten er zeigen will

Alle internationalen Prüfungen werden gerichtet durch international geprüfte Materialrichter. Die Bedingungen für internationale Prüfungen nach FIZO sind für alle Länder gleich, damit ist diese Prüfung im Gegensatz zur IPO international vergleichbar. Die deutsche Prüfung nach IPO ist nur in Deutschland anerkannt, nicht in den anderen Mitgliedsländern der FEIF. Nur die Ergebnisse der Prüfungen nach FIZO werden eingetragen in die internationale Datenbank WorldFengur, die weltweit größte Datenbank für Islandpferde. Alle Ergebnisse der FIZO Prüfungen werden über die Datenbank WorldFengur herangezogen für Zuchtwertschätzungen nach dem BLUP-System, so dass für Pferde, die nach dem internationalen System geprüft werden, eine solche Zuchtwertschätzung möglich ist.

Neben der Regelung für Internationale Prüfungen, von denen hier die Rede ist, gibt es auch ein Regelwerk für den nationalen Bereich, eine nationale FIZO. Solche nationalen Prüfungen nach dem Schema der FEIF dürfen gerichtet werden von den nationalen Materialrichtern eines jeweiligen Landes, eine entsprechende Ausbildung und Fortbildung in dem System FIZO wird natürlich vorrausgesetzt. Die Ergebnisse einer solchen nationalen FIZO finden ebenfalls Eingang in den WF, den WorldFengur. Dieses nationale System lässt den einzelnen Mitgliedsländern der FEIF etwas mehr Spielraum in Bezug auf den Reiterrichter, getrenntes Richten etc. Die oben beschriebenen Formalien sind jedoch immer gleich, so dass die Grundvoraussetzungen immer dieselben und damit vergleichbar sind. Eine Ausarbeitung für eine deutsche nationale FIZO befindet sich z. Zt. in Arbeit, die derzeitige IPO ist dafür nicht tauglich, da ihr völlig andere formale Vorraussetzungen zugrunde liegen.

Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, gibt aber in groben Zügen einen Überblick über Materialprüfungen für Islandpferde nach dem Schema der FEIF (FIZO) und dem deutschen System IPO. Er wurde am 13.10.2003 in Zusammenarbeit geschrieben von Barbara Frische, Bremen, nationale und internationale Zuchtrichterin, stellvertretende Zuchtleiterin und von Maria-M. Siepe-Gunkel, Züchterin aus Habichtswald.
Er entstand als Information für die Züchter auf der Seite www.taktklar.de, nachdem bei einer Umfrage dort 48% der Befragten angaben, die Unterschiede zwischen den Prüfungsformen IPO und FIZO nicht zu kennen.

Weitere verwandte Artikel finden sich hier:
Zeitschrift : „Das Islandpferd“ ab Nr. 89, Sept./Okt. 2002
Internet : www.ipzv.de - unter der Rubrik Zucht, hier gibt es auch Tipps für das Vorstellen eines Pferdes auf einer FEIF-Prüfung, außerdem findet sich hier auch der Briefwechsel des IPZV mit dem Zuchtleiter der FEIF, Herrn Jens Otto Veje, über die neue FIZO
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www.feif.org - hier findet man neben Informationen aus dem internationalen Bereich das gesamte Regelwerk FIZO auch in Deutsch zum Herunterladen (umsonst!) sowie den FEIF-Richt- und Beurteilungsbogen.
Das deutsche Regelwerk IPO kann bei der Geschäftsstelle des IPZV bestellt werden.

Barbara Frische
Maria-Magdalena Siepe-Gunkel


 


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