www.taktklar.de - 20.04.2002
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Autor: Hilke Sandner (E-Mail: irpasandner@gmx.de)


  Senioren Zuhaus


Zwei 'Ansichten' von Irpa.

Alles begann mit dem Besuch einer befreundeten Familie vor genau drei Jahren. Dort stand die Isi-Stute, die schon sehr bald in meinen Besitz über gehen sollte oder zum Abdecker. Sie stand in einer großen Ponyherde und war damals 18 Jahre alt.

Aus ihren Papieren geht hervor, dass Irpa frá Skarði 1981 in Island geboren wurde und 1986 nach Deutschland importiert wurde. Ihre erste Besitzerin ließ sie einreiten und bekam eine völlig veränderte Stute zurück. Aus der lieben, braven war eine ängstliche, verstörte Stute geworden. Außerdem hatte Irpa es sich zur Aufgabe gemacht, jeden Reiter möglichst schnell zu Boden zu befördern. Wenn man nicht zu den erfahrenen Reitern zählte, war an ein Reiten nicht zu denken. Somit wurde die Stute mit der Absicht, sie in gute Hände zu geben, schnell verkauft.

Sie hatte ihr neues Zuhause auf einem Ponyhof. Dort ebenfalls als Reitpferd wenig einsetzbar, bekam sie innerhalb der nächsten sechs Jahre drei Fohlen und hatte zwischendurch immer wieder liebe reitbegeisterte Mädchen, die sich um sie kümmerten. Schon damals hatte sie Eigenarten, die sie als Verkaufspferd unmöglich machten. Sie hatte Angst vor Männern, sie ging Erwachsenen sowieso lieber aus dem Weg. Sie hatte kein Vertrauen. Nur Kinder konnten sie auf der Weide einfangen, aber nicht reiten. Am Halfter war sie fromm, wirkte aber desinteressiert. Wollte man sie reiten, nutzte sie jeden geeigneten Moment um die Hinterhand so hoch zu werfen, dass man unweigerlich über ihre Ohren abstieg. In der Reitbahn hatte sie so viel Angst, dass man sie gar nicht erst hineinbekam. Außerdem war sie auch noch Ekzemer, so dass sie im Sommer viel Pflege benötigte und trotzdem mit kahlgeschubbelter Mähne, Schweif und Bauchlinie kein Vorzeigepferd war. Viele Gründe weshalb sich kein Käufer gefunden hatte und sie zum Abdecker sollte.


Nach drei Wochen im neuen Zuhause.
Genau an diesem Tag besuchte ich die Familie und schon auf der Hinfahrt spielte ich mit dem Gedanken, dass mir diese Stute gut gefällt und falls sie mal zum Verkauf stehen würde...“Kauf Du sie doch“ Ich wohnte schließlich seit fast 29 Tagen auf dem Land und da musste es doch eine Möglichkeit geben. Es blieben mir genau zwei Tage, um einen Unterstellplatz zu finden, denn sonst würde sie abgeholt. Also mobilisierte ich alle meine Kräfte und zum Glück gelang es mir einen Platz in einer Offenstallhaltung mit zwei Warmblütern zu bekommen. Eigentlich hatte ich die Vorstellung, eine alte Seniorin gekauft zu haben,
mit der ich noch einige Spaziergänge machen könnte. Doch wenn ich sie eingefangen hatte, konnte ich froh sein, sie in der verbleibenden Zeit geputzt zu haben. Das Einfangen erwies sich nämlich als großes Problem. Entweder ergriff sie direkt die Flucht oder drehte mir ihr Hinterteil (bereit auszuschlagen) zu. Das war wirklich die Höhe, da rettet man sie und zum Dank so was. Von diesem Moment an beschloss ich, niemals eine Pferdebesitzerin zu sein, die ihr eigenes Pferd mit Hilfe anderer Personen z.B. in die Ecke treiben muss, um es einzufangen. Also versuchte ich, nach der Methode Monty Roberts zu arbeiten. Ein „Join Up“ als Unerfahrener in einer Weide ohne Round Pen ist sicherlich weniger wirksam, führte aber mit Geduld und Durchhaltevermögen zum gewünschten Ziel. Schon nach wenigen Tagen konnte ich mich der Stute nähern, ohne dass sie davon lief und auch Berührungen ließ sie zu. Wer jetzt glaubt, dass schmackhaftes Futter auch seine Wirkung tut, der kann sich jederzeit von meiner Stute das Gegenteil beweisen lassen.

Wir hatten Mitte Mai und die Stute war in einem schlechten Zustand. Zwar hatte sie schon zugenommen, aber der Fellwechsel hatte noch nicht richtig eingesetzt. Und nun? Ein Dank an unseren Hufschmied, der mir den Tipp, Fermentgetreide zu füttern, gab. Von Tag zu Tag verbesserte sich Irpas Zustand und schon bald stand sie im glänzenden Sommerfell auf der Wiese. Leider machte sich auch das Sommerekzem bemerkbar, so dass ich nach dem Ausprobieren sämtlicher Wundermittel eine Ekzemerdecke erwarb. Endlich Ruhe für die Stute.

Ein weiteres Kapitel war das Reiten. So richtig bewusst wurde mir bei meinem ersten Reitversuch, dass seit mehren Jahren niemand auf diesem Pferd gesessen hatte. Sie drückte ihre Hufe einfach stocksteif in den Sand und ließ sich keinen Meter bewegen. Vielleicht war ich ja doch viel zu schwer und sie hatte noch nicht genügend Kräfte? Nachdem sie mich ein andermal von ihren Kräften überzeugte, indem sie mich fast im Schritt im hohen Bogen über ihre Ohren absteigen ließ, war es wohl doch der Gewöhnungsfaktor. Also stieg ich von nun an bei den Spaziergängen häufiger auf. Im ersten Jahr landete ich noch ein paar Mal, immer unbeschadet, auf dem Erdboden. Das hat sich jetzt ganz gelegt, doch mit männlichen Reitern probieren wir das lieber nicht.

Nach einem Jahr konnten wir zwei Weiden direkt an unserem Haus pachten. Irpa bekam zum eigens für sie erbauten Offenstall auch einen Stallgenossen. Denn mittlerweile hatte die „Isimanie“ auch meinen Mann gepackt und ein zweiter Isländer musste angeschafft werden. Guðni, ein 17 jähriger Islandwallach, freute sich sichtlich dem Schulbetrieb entflohen zu sein und darüber hinaus eine eigene Stute zu bekommen. Bis heute fahren wir gemeinsam einmal die Woche zum Reitunterricht und vergnügen uns ansonsten mit Geländeritten. Ich weiß, dass ich mich 100 % auf meine Stute verlassen kann und sollte doch mal etwas Unvorhergesehenes passieren, kann ich sie allein durch meine Stimme beruhigen. Probleme aufgrund ihres Alters hatten wir bislang noch nicht. Bis auf feuchte Silage kann sie alles fressen, obwohl ihr schon einige Zähne fehlen. Nur ihr Hufwachstum ist so gering, dass es einen Beschlag unmöglich macht. Da sie aber vorne sehr fühlig ist, haben wir die Alternative, Hufschuhe, gewählt. Jetzt können wir jeden Schotterweg unbedenklich reiten und auf Sand- oder Graswegen geht sie barhuf.


Irpa mit ihrem Kumpel (li.) und mit Ekzemdecke (re.).

Manchmal wünsche ich mir ein Pferd unterm Sattel mit etwas mehr Power. Wenn wir aber zu mehreren ausreiten und einige Pferde nicht zu halten sind oder sogar durchgehen, und die Stute ruhig bleibt, wenn mehrere Pferde an uns vorbei sausen, bin ich wieder der Meinung, die beste Stute der Welt zu haben. Ihren eigenen Kopf hat sie aber sehr wohl; sie liebt Bauernhöfe. Jede Hofeinfahrt müsste geritten werden, wenn es nach ihr ging, um wenigstens kurz mal zu schauen. Was sie dort möchte, wird mir wohl ein ewiges Rätsel bleiben.


 


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