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 | Foto: K. Kerner-Dunker--------Klettur vom Kommandørgården |  |
Italien oder Frankreich hießen die Reiseziele, die wir uns eigentlich für das letzte Jahr vorgenommen hatten. Wir – das sind mein Mann Sven, und meine 7-jährige Tochter Felina.
Irgendwie kam dann jedoch alles anders: die lange Anreise und das Unbehagen, unsere Pferde so lange Fremdversorgen zu müssen sprachen für ein näheres Ziel. Eine Freundin empfahl uns Römö in Dänemark, dort gäbe es tolle Campingplätze, einen schönen Strand und dennoch eine andere als die deutsche Sprache.
Gesagt getan: Nach 3 Stunden Fahrtzeit waren wir am Ziel. Einen wundervollen Campingplatz fanden wir schnell und die Zelte waren rasch aufgebaut.
Beim Erkunden des Platzes stieß ich auf ein Schild: „Islandpferdecenter in 500 m“.
Das weckte natürlich prompt meine Neugierde. So fand ich mich nach wenigen Minuten mitten auf einem Hof mit Isländern wieder, die man für Strandritte buchen konnte.
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 | Foto: K. Kerner-Dunker--Vikingur und Felina |  |
Im Galopp den Strand entlang – das war schon immer mein Traum. Doch wie dies mit Sven und Felina unter einen Hut bringen? Das Abenteuerspieleland, das ich auf dem Weg vom Campingplatz hierher überquert hatte, bot mir einige Ansätze, denn entweder hätte ich Mann und Tochter gemeinsam ins Abenteuerland schicken können, oder Felina alleine, während ich, bzw. mein Mann und ich ritten. Doch warum Felina das Reiten vorenthalten, wo doch sogar ein Kinderreitkurs angeboten wurde?
Am Abend in der Dampfsauna bekam ich von einer deutschen Urlauberin, die seit Jahren mit ihrer Tochter hierher reiste den Tipp, dass auf dem Islandpferdehof 3 Kategorien von Pferden „buchbar“ seien: nice, middle und wild. Sie riet mir unbedingt vor dem Ritt zu sagen, welche Kategorie Pferd wir wünschten.
Meine gute Laune wegen des tollen Urlaubsstarts und der schönen Pläne für den kommenden Tag verschlechterte sich über Nacht, denn es regnete und regnete in einem Fluss. Mein windschiefes Zelt, an dem eine Stange fehlte, stand schnell unter Wasser und so hielt mich am kommenden Tag nur die Aussicht auf den Strandritt und mein Mann mit dem Versprechen, ein Appartement zu buchen, von der sofortigen Abreise ab.
So bezogen wir ein Appartement im „Kommendoersgarden“, übersetzt Kapitänsanwesen – jenem Komplex, zu dem neben einem Wellnesshotel, kleinen komfortablen Holzhäusern und dem Abenteuerland auch der Islandpferdehof gehörte.
„Schwimmbad, wellness, Isis – was will man mehr?!“
Nun also wieder bester Laune machten wir uns auch schon auf den Weg zu den Stallungen und damit zu unserm ersehnten Ritt. Gerade angekommen, ging es schon mit den anderen Reitgästen an die Verteilung der Pferde.
Ich, sozusagen auf einem Isländer geboren, wollte auf jeden Fall im gestreckten Galopp durch das Watt pesen und so war mein Wunsch, den ich dem fragenden Guide gegenüber äußerte „I want a wild, quick horse with a lot of tölt“.
„The same“ kam aus dem Mund meines Mannes. Mich erschreckte sein Übermut, da er ein klassischer Sonntagsreiter ist und sein Isi zuhause, unser großer Gandur, eher mit angezogener Handbremse läuft.
Mir wurde ein kleiner Schecke zugewiesen, der mir friedlich zum Putzplatz hinterher trottete. Meinem Mann folgte ein aufgeregter Fuchs, der an seinem Halfterstrick tänzelte.
Einer der anderen Reitgäste wunderte sich: „Du bist aber mutig“, woraufhin ich Sven anbot, zu tauschen. Doch Sven hatte sich in den Kopf gesetzt, diesen Fuchs mit hellem Behang und schiefer Blesse namens Klettur zu reiten.
Schon beim Losreiten war dieser kaum zu halten. Er tänzelte und sein rotes Fell glänzte bereits nach wenigen Metern vor Schweiß. Unsere Reitgruppe war angenehm klein. Ein Guide ritt voran. Der Weg führte uns über weiche Sandwege durch wunderschöne grüne Wälder zum Strand. Als die Pferde diesen erblickten, merkte man ihnen ihre Unruhe und Aufregung bereits an. Der Guide rief: „See you there“ und zeigte weiter hinten aufs Meer. Los ging es also: Ein Traum wurde wahr – in einem irren Tempo trugen uns die Hufe unserer Vierbeiner erst im Renntölt dann im Galopp über den kilometerlangen Strand zum Wasser.
Die struppige schwarze Mähne meines Schecken vermengte sich in meinen vor Freude und Gegenwind tränenden Augen mit der Gischt des um uns spritzenden Wassers zu einer unscharfen Masse, so dass die Geschwindigkeit noch bildlich unterstrichen wurde. Ein wahnsinniges Glückgefühl beseelte mich – so einen tollen Isi war ich (bis dato) noch nie geritten.
Sven hatte uns mit seinem wahnsinnig schnellen Fuchs schnell überholt und preschte – nein flog fast – voran.
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 | Foto: K. Kerner-Dunker---------------------Klettur und Sven |  |
Die blonde Mähne des Fuchses und der Schweif sahen bei dem Tempo fast aus wie ein Feuerschweif, der vorüberzieht. Sven hielt sich gut und zu meinem Glück mischte sich für einen kleinen Moment noch ein wenig Stolz.
Wir preschten in das spritzende Wasser und einige Meter den Strand entlang – ein Gefühl von Leichtigkeit und Freude, Übermut und Glück auf unseren Gesichtern.
Bei einem Blick in das Gesicht meines strahlenden Mannes sah ich, dass er nun endlich verstand, warum mein Herz ausgerechnet an Isländern so hängt.
Auf dem Weg zurück zum Kommandoergaarden wurde mir bewusst, dass Sven unseren Gandur, der auf der Koppel zu Hause wartete, nach diesem Ritt nicht mehr zu seinem Traumpferd ernennen würde.
Zurück am Stallgebäude, begrüßte uns schon unsere strahlende Tochter. Sie hatte sich bei ihren Zwergenausritt für die Variante „nice“ entschieden, die hieß Vikingur und war ein ca. 145 cm großer Teddybär. Das Wort „Glück“ war für die nächsten Stunden in unsere Gesichter geschrieben.
Der Rest unseres Urlaubs verging wie im Flug. Sven schwärmte nur noch von seinem wilden Fuchs, der fliegen konnte und streichelte ihm unzählige Male über seine für einen Isländer völlig untypische Ramsnase, die ein wenig an einen wüsten Araber erinnert und ihn um so besonderer macht.
Sein Herz gehörte Klettur und das von Felina nach unserem ersten Besuch dem Abenteuerland – namens Legeland – einem Paradies für Kinder und verspielte Erwachsene: Nicht nur einen echten Piratenschatz auf einem alten Schiff gab es dort zu entdecken, auch ein Riesenrad wartete darauf angekurbelt zu werden und weitere merkwürdige Geräte wollten allein durch physikalische Gesetze zum Schwingen gebracht werden. Ein Floß wollte erkundet und die Tiere im Streichelzoo gefüttert und liebkost werden – mit deutschen Spielplätzen mit den immer gleichen Schaukeln und Wippen hatte dies nichts zu tun, einfach erfrischend anders.
Leider ging auch dieser Urlaub zu Ende und bereits auf der Rückfahrt drehten sich unsere Gedanken darum, wie wir Klettur für Sven bekommen könnten.
Als nicht Islandpferdekenner hoffte er tatsächlich, dass die Besitzerin ihn vielleicht an uns verschenkte, damit er seinen Lebensabend in einer Privatfamilie verbringen könnte.
Verdient hätte er dies schließlich. Der arme schreckhafte, windige Isi war durch den Trott, den er durch sein jahrelanges Schulpferdedasein erfahren hatte, egozentrisch geworden. Tagein tagaus wurde er von der Weide in das Paddock getrieben, eingefangen und geputzt. Jeden Tag setzte sich ein anderer Mensch auf ihn, ritt mit ihm in einem langen Treck hintereinander zum Strand und dann hieß es losrennen,
am Treffpunkt anhalten, losrennen, wieder an einem festen Punkt anhalten, nachhause trotten, absatteln – und fertig.
Und dennoch: „Klar einen 5 Gänger, der fliegen kann, bekämen wir natürlich geschenkt ... träum weiter Sven, dachte ich!“
Unser nächstes Wochenende wurde von Sven verplant. Unser Ziel war – wie sollte es anders sein – Römö – Kommandoergaarden, diesmal mit meinem Isländer Gladur (der schnellste von unserer Weide) im Hänger. Wie praktisch, das auf der Rückfahrt neben ihm noch ein Platz frei wäre – für Klettur.
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 | Foto: K. Kerner-Dunker---------------------Klettur , Sven und Gladur |  |
Gladur bekam einen netten Weideplatz, neben einer alten Stute und einem Hengst, zugewiesen und wir ein wunderschönes Appartement ganz in der Nähe der Weide.
Nach kurzem Akklimatisieren gingen wir zum Stall und Sven bekam die Erlaubnis Klettur auch ohne Guide zu reiten. Los ging es also und unsere Spannung stieg, wie Klettur ohne seine Gang im Schlepptau reagieren würde.
Mein schnellster Isi „from town“ war nichts gegen Klettur. Allein im Schritt musste Gladur im schaukelnden Schweinepass hinter ihm her humpeln, selbst erstaunt darüber, dass er nicht mehr der Schnellste war. Im Tölt trugen uns unsere Pferde durch die verschlungenen Wälder Richtung Strand. Nie werde ich das Bild vergessen, wie Sven wie auf Schienen im schnellsten Tölt um die Kurven raste. Meine sehnsüchtigen Blicke im Rücken spürend, bot er mir großzügig an, eine Weile auf Klettur zu reiten. Schnell ahnte ich, was er meinte, wenn er davon sprach, dass Klettur „flog“ und nicht lief. So schön war es, dass ich schnell wieder absteigen musste, da ich schließlich mein Traumpferd mit Gladur schon gefunden hatte und ich ihm nie untreu werden würde.
Um Sven war es nun aber endgültig geschehen. Er wollte Klettur!
Wir verbrachten ein wundervolles verlängertes Wochenende mit noch dazu tollem Essen in der wunderschönen Anlage des Kommandoergaarden mit seinem netten familiären Flair.
Die kleine Insel Römö war uns schon richtig ans Herz gewachsen. Obwohl so klein und an einem Tage umrundet, bot sie doch so vieles zum Staunen und Wohlfühlen: lauschige Plätze in den Dünen, dichte grüne Wälder, anmutige alte, teilweise reetgedeckte Häuser und Höfe, in und auf denen früher die Kapitäne und Walfänger gewohnt hatten, den immerhin breitesten Strand Europas, das rauschende Meer ganz nah, egal wo man sich gerade befand, und als Familie auch nicht zu vernachlässigen: kinderfreundliche Restaurants.
Natürlich nutzen wir die Zeit auch für eine Verhandlung über einen eventuellen Kauf von Klettur.
Doch wie befürchtet hatte die Besitzerin Therese Thøgersen keinerlei Ambitionen, sich von Klettur zu trennen. Schließlich – wie sollte es anders sein – war dieser auch ihr Lieblingspferd und das aller Guides. Sie erzählte uns Kletturs beeindruckende Geschichte, wie er aus Island kam, dass er schon in einem Film mitgespielt hatte und bei meterhohen Wellen mit Ihr um ein Rettungsboot geschwommen war, was zeigte, dass er mit seinem Besitzer durchs Feuer ging. „Nein“, sie wollte Klettur nicht verkaufen.
Uns jedoch ließ es keine Ruhe, schließlich durfte sie mindestens 100 Isis ihr Eigen nennen, von denen sicher 50 super eingeritten waren und eine tolle Abstammung hatten und wie der Teufel tölteten. Warum musste sie ausgerechnet so an diesem einen hängen?
Enttäuscht reisten wir wieder ab.
Zwei Tage später erhielten wir eine E-Mail aus dem Kommandoergaarden, woraufhin wir das nächste Wochenende nutzten um wieder einmal nach Römö zu fahren ..
Fortsetzung folgt ...