www.taktklar.de - 04.11.2002
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Autor: Hippomaxx (E-Mail: info@hippomaxx-muenster.de)


  Von Pferden und Menschen in Westfalen

Ein Gang durch die Ausstellung des „Westfälischen Pferdemuseums“

Das „Westfälische Pferdemuseum“ zeigt die Natur- und Kulturgeschichte des Pferdes im „Pferdeland Westfalen“, einer Region, die wie kaum eine andere in Deutschland geprägt ist durch Pferdezucht und -haltung. In sieben Stationen führt die Ausstellung anhand verschiedener Pferdetypen und Pferdedarstellungen durch die Geschichte und Gegenwart des Pferdelands Westfalen.
Die Ausstellung präsentiert diese spannende und abwechslungsreiche Beziehung zwischen Mensch und Pferd in einer  ungewöhnlichen Ausstellungsarchitektur und Kombinationen von Objekten, Bildern, Medien und sinnlichen Erfahrungen. Nicht das Pferdehalfter an der Wand wird das Markenzeichen des Museums sein, sondern die besondere Perspektive, die überraschende Inszenierung scheinbar vertrauter Objekte und Inhalte.

Ein Modell des Urpferdchens „Eohippos“. Fotos: Herbert Gerbling.
Pferd und Mensch

Bereits am Eingang begrüßen den Besucher zwei ungewöhnliche Vertreter der Spezies: Die fuchsgroße Rekonstruktion des „Urpferdchens“ Eohippos, das vor etwa 50 Millionen Jahre die Evolution des Pferdes einleitete, begleitet vom Pferd der Zukunft – einer Vision des englischen Wissenschaftlers Dougal Dixon über die Entwicklung des Pferdes in 50 Millionen Jahren. Bevor die Zeitreise weitergeht, zeigt die Ausstellung ein Kabinett „echter Pferde und falscher Pferde“ – viele Lebewesen tragen das „Pferd“ im Namen, doch nur wenige sind es wirklich. Warum und wie sich Aussehen und Lebensweise der Pferde im Laufe der Jahrmillionen bis zum heutigen Hauspferd veränderten, zeigt die Ausstellung mit archäologischen Funden aus Westfalen in Originalen, Rekonstruktionen und medialen Installationen, darunter ein mehr als vierzigtausend Jahre alter Hufabdruck, der die Zeiten in einem Lehmbett überstand und ein fränkisches Pferdegrab, das zur rituellen Bedeutung der Pferde überleitet.

Wohlgestalt und Ungestalt
Schon im Eingangsbereich fällt der Blick des Besuchers auf den unbestrittenen „Star“ der Ausstellung, den Zuchthengst „Polydor“, der 2000 im Alter von 28 Jahren verstarb und vom „Nordrhein-Westfälischen Landgestüt“ für eine Präparation zur Verfügung gestellt wurde. „Polydor“ zeugte über 1000 Nachkommen, die wiederum erfolgreiche Vererber oder Sportpferde waren, so dass man mit Fug und Recht von einem Superhengst sprechen kann, der die westfälische Zucht der letzten 25 Jahre entscheidend beeinflusste. Auf einem Drehpodest, vor leuchtend rotem Hintergrund nimmt „Polydor“ eine herausragende Stellung ein – und taucht im Laufe der Ausstellung als Leitfigur in verschiedenen Zusammenhängen auf. „Polydor“ steht mit weiteren Beispielen für die Vision vom „idealen” Pferd. Was aber zeichnet ein optimales Pferd aus? Die Ausstellung zeigt jahrhundertealte Vorstellungen vom “wohlgestalteten” und “ungestalteten” Pferd, die immer auch einen wirtschaftlichen Hintergrund hatten.

„Mr Toole schickt ein Sextett auf Reisen“; J.A.B. Jay; Öl auf Leinwand, 1885.

Ungezähmt und Eingezäunt
Eine Besonderheit der westfälischen Pferdegeschichte ist das Vorkommen wilder Pferde, die bis in das 19. Jahrhundert in zahlreichen Herden durch die feuchten Niederungen und Wälder streiften. Die Abteilung gibt Einblicke in die Wildbahnen Westfalens, die als die Wurzel der westfälischen Pferdezucht gelten. Von der einstigen Vielfalt wilder Pferde zeugt heute nur noch die Dülmener Herde im Merfelder Bruch. Einzigartige Präparate der im 19. Jh. ausgestorbenen Emscherbrücher erinnern an die Vielfalt der wilden Pferde in Westfalen.

Art und Weise
Was sieht und schmeckt ein Pferd? Wie intelligent ist es? Wie viel Schlaf braucht es? Auf diese und weitere Fragen gibt ein Ausstellungsteil Antworten, der sich mit der Anatomie und dem sozialen Verhalten der Pferde beschäftigt. Ein “Pferd in Scheiben” gibt Einblicke in den Pferdekörper. Im Vergleich “Mensch-Pferd” und mittels verschiedener medialer Anwendungen lernt der Besucher die Besonderheiten der Pferdeanatomie und damit das Lebewesen Pferd besser kennen und verstehen. Faszinierend und in dieser Form erstmalig zu sehen ist die Folge von fotografischen Aufnahmen, in der die Entwicklung eines Fohlens von der befruchteten Eizelle bis zum wenige Minuten alten Fohlen gezeigt wird.

“Polydor“ ist einer der Stars der Ausstellung.
Ziele und Wege
Westfalen hat eine herausragend hohe Zahl erfolgreicher Sportpferde hervorgebracht. Doch was verbirgt sich hinter dem Unternehmen “Zucht”? Die Ausstellung wirft einen Blick hinter die Kulissen von Landgestüt, Privatzucht und Pferdestammbuch und zeigt die Methoden erfolgreicher Zucht auch unter historischen Aspekten: Vom Natursprung zum Tiefkühlsperma. Ein neues, eigens für das Museum angefertigtes Modell des „Nordrhein-Westfälischen Landgestüts“ in Warendorf gibt einen Überblick über die Anlage. Einst als Gestüt für die Militärpferdzucht des preußischen Staates angelegt, wird sie heute als modernes Zuchtunternehmen geführt.
Nicht nur die bekannten, hochklassigen Reit- und Fahrpferde und die schweren Kaltblüter aus westfälischer Zucht, sondern 39 verschiedene Rassen – vom Kleinpferd bis zu Spezialrassen – werden ebenfalls in Westfalen registriert und gezüchtet. Eine Medieneinheit mit interaktiven Informationselementen gibt Einblicke in die Rassenvielfalt auf westfälischem Boden.
Zucht bedeutet aber immer, die Pferde für einen bestimmten Zweck hin zu optimieren, sei es wie früher für die Arbeit in der Landwirtschaft, im Fuhrwesen oder heute für den Sport. In einer pointierten Auswahl werden die zahlreichen Einsatzmöglichkeiten der „Pferde in der Arbeit“ dargestellt. Im Zirkus, auf dem Feld, im Krieg oder unter Tage: Pferde waren unverzichtbar. Die Stallwand eines originalen bäuerlichen Pferdestalls war weit in das 20. Jahrhundert typisch für die westfälische Landwirtschaft. Der unverfälscht gelassene Aufbau der Stallwand trägt alle Spuren des Gebrauchs und steht damit im krassen Gegensatz zur modernen Ausstellungsarchitektur – ein Relikt einer längst vergangenen Epoche. Ebenso wie die originale Postkutsche, die einst in Dortmund fuhr und dem Pferdemuseum vom Museum für Kommunikation in Frankfurt zur Verfügung gestellt wurde.

Pferdegasmaske und Sauerstoffbeatmungsgerät für Pferde im 1. und 2. Weltkrieg.
Verdienst und Verlust
Noch Anfang des letzten Jahrhunderts prägten Postkutschen das Stadtbild. Mit zunehmender Motorisierung nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Pferde überflüssig. Die Inszenierung eines Grubenpferds, eingehängt in ein Geschirr für den Transport unter Tage, erinnert an die extremen Bedingungen, unter denen Pferde oft arbeiten und leben mussten.

Auch das Thema Pferdetod wird nicht ausgeklammert: Eine Station widmet sich der Frage nach den „letzten Dingen“ im Leben eines Pferdes, die im scheinbaren Gegensatz stehen zur emotionalen Beziehung, die der Mensch zu diesem Lebewesen aufbaut. Pferde werden nach dem Tod weiterverarbeitet und der Nahrungskette oder einer industriellen Verwertung zugeführt.

Ross und Reiter
Erst die Motorisierung des 20. Jahrhunderts verdrängte das Pferd endgültig aus der Arbeitswelt In den 1960er Jahren gingen die Bestandszahlen der Pferde auch in Westfalen drastisch zurück. Die heutige Bedeutung verdankt das Pferd seiner Rolle als Partner in Freizeit und Sport. Die Zuchtziele änderten sich. Gefragt sind Reit- und Fahrpferde für die unterschiedlichsten Ansprüche. Westfalen gilt heute mit über 500 Reitvereinen als Hochburg des Pferdesports. Dieser Bereich gibt einen Überblick über die vielen Disziplinen, die den Reitsport so faszinierend machen. Auf interaktiven Sattelstationen kann der Besucher ausprobieren, wie es sich auf einem Galopp- oder Springsattel sitzt. Die Vielfalt der Reitdisziplinen und die Geschichte der Zucht und des Reitsports in Westfalen wird anhand einer Zeitleiste erlebbar, die wichtigsten Stationen mit Texten, Bildern und originalen Objekten darstellt. Zu den besonderen Exponaten gehört die sehr qualitätsvolle Darstellung eines Pferderennens auf der längst untergegangenen Galopprennbahn in Castrop Rauxel aus dem Jahr 1888, ein Damenreitkostüm der 1920er Jahre und eine Leihgabe des Buckingham Palace: Das Gastgeschenk der Stadt Münster an Prinz Philip, den Herzog von Edinburgh, der 1972 als Präsident des Weltreiterverbands anlässlich der ersten Viererzug-Weltmeisterschaft in Münster weilte.
Blick in die „Hall of Fame“: Der Zylinder und eine Goldmedaille von Dr. Reiner Klimke.
Mit einem Blick in den „Westfälischen Olymp“ endet die Ausstellung. Hier werden westfälische Spitzenreiter und –pferde geehrt. Die Ausstellungseinheit verzichtet bewusst auf eine Ansammlung verschiedener Pokaltrophäen, sondern setzt den Schwerpunkt auf persönliche Gegenstände und Medaillen, die von den Reitern und Ihren Angehörigen gestiftet wurden. Ungewöhnliche und einmalige Objekte sind hier zu bestaunen: Ein Wertungsbogen der olympischen Kampfrichter, auf dem Monica Theodorescus Goldritt dokumentiert wurde, die Polizeijacke von Klaus Balkenhol, der Sattel, auf dem Hans Güter Winkler unter der Wunderstute Halla 1956 in einem spektakulären Ritt olympisches Gold gewann und weitere individuelle Gegenstände, die bewegende Geschichten erzählen. Packende Filmausschnitte und akustische Medien lassen den Geist von Olympia und Weltmeisterschaften lebendig werden.

Eine Spielsektion gibt vor allem den jüngeren Besuchern am Ausgang der Ausstellung Gelegenheit, das Gesehene zu malen und in einer eigenen Pferdegalerie des Museum zu präsentieren oder mit nach Hause zu nehmen.

Dr. Ulrich Hermanns

Hippomaxx
Westfälisches Pferdemuseum
im Allwetterzoo Münster
Sentruper Straße 311
48161 Münster
Telefon +49(0)251-48427-0
Telefax +49(0)251-48427-10
www.hippomaxx-muenster.de


 


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