Es war die berühmte Liebe auf den ersten Blick, als Hákon im Frühsommer 1995 als neues Pensionspferd in unserem Reitstall ankam; ein großer, kräftiger Fuchswallach mit klaren, freundlichen Augen, die erwartungsvoll unter einem riesigen blonden Haarschopf hervorlugten. Tja, da war es bereits um mich geschehen... Ein halbes Jahr verging, bis ich mich endlich traute, seinen Besitzer zu fragen, ob er denn nicht jemanden brauchen könnte, der sich um sein Pferd kümmerte. Und so kam ich zu meinem heißgeliebten Pflegepferd.
Natürlich ließ ich mich damals nicht davon beeindrucken, dass mich einige Leute warnten, Hákon sei nicht so leicht zu reiten; es ging ja alles gut, wenn ich mit meiner besten Freundin zusammen stundenlang durch den Wald ritt. Tja, auch ich musste mich eines Besseren belehren lassen... Bei meinem ersten Ausritt, den ich allein mit Hákon unternahm, kam das böse Erwachen: An der erstbesten Kreuzung wollte der Gute doch den Nachhauseweg einschlagen, während ich die andere Richtung bevorzugte. Das Ergebnis dieser Meinungsverschiedenheit war eine wilde Bockerei, gefolgt von einem widerwilligen Passschritt in die Richtung, die ich wollte. Ha, die "Schlacht" hatte ich gewonnen! Denkste... Als Chef einer fast 15-köpfigen Offenstall-Rasselbande ließ er das natürlich nicht auf sich beruhen. Bei der nächstbesten Gelegenheit bekam ich eine Kostprobe unkontrollierbaren Renngalopps quer über eine Wiese und den Hang hinunter in Richtung Stall...
Auch wenn sich solche "Anfälle" mit der Zeit immer mehr häuften und wir zwei meist im Schweinepass unterwegs waren, erlebten wir doch vier schöne Jahre miteinander.
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Irgendwann erkannte ich jedoch, dass es für uns beide an der Zeit war, etwas Weiterbildung zu betreiben. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich es tunlichst vermieden, mit Hákon im Dressurviereck zu arbeiten, da er beinahe panisch reagierte, sobald er es betreten musste, geschweige denn, man hatte eine Gerte dabei! Glücklicherweise hat meine Reitlehrerin das richtige Händchen für mein Pferd und mich und so durfte ich während der letzten zweieinhalb Jahre Hákons andere Seite kennenlernen: fleißig, aufmerksam, immer bemüht, einem alles recht zu machen. Fast wöchentlich in der Reitstunde, staune ich regelrecht Bauklötze, was er doch alles kann und wie super er ausgebildet ist! In dieser Zeit erkannte ich erst, was für ein Sensibelchen mein Hákon doch eigentlich ist, er scheint es nur nicht zugeben zu wollen (aber wer weiß, vielleicht sagt er das auch von mir)... Seither scheint es nur noch aufwärts zu gehen; sogar der Tölt und der Trab sind wieder da und werden immer besser. Und auf den Rennpass kann ich momentan noch verzichten ;-)
Im letzten Frühling hat mich nun Hákons Besitzer angefragt, ob ich ihn nicht kaufen wolle. Natürlich habe ich zugesagt, wäre es doch für mich gewesen, als würde ich mein eigenes Pferd verkaufen, hätte ich nein gesagt! So bin ich seit Mitte August stolze Besitzerin von Hákon vom Wiesenhof. Dass er aus Deutschland stammt, wusste ich bereits, aber das Geheimnis seiner genauen Abstammung lüftete sich für mich erst, als ich den Stammbaum in den Händen hielt. Bisher hatte es mich gar nicht groß interessiert, schließlich war ich immer der Ansicht, dass man auf dem Stammbaum nicht reiten kann! Als ich jedoch erfuhr, dass Hákon ein Sohn vom Hrafn 737 frá Kröggolfsstödum (M: Dagny frá Hólar) ist, beschlich mich nun doch noch ein gewisser Stolz. Und nun weiß ich auch, woher er diese wundervollen Augen hat, die mich schon am ersten Tag begeisterten...