11. Kapitel
[05.06.2000 • Text: R. Lange • Foto: R. Lange]

Sie lebten wie im Paradies, im Schlaraffenland, oder einfach wie die Maden im Speck, die zwei Mädchen. Jedenfalls am ersten Tag ihres gemeinsamen Campingabenteuers. Da wurden sie von ihren Müttern mit allen möglichen Leckereien versorgt, damit es ihnen ja nur an nichts fehlen möge.

Hanna und Sibylle genossen diese unerwartete Fürsorge, zumal sie nur das Essen betraf, die beiden Mädchen aber ansonsten tun und lassen konnten, was sie wollten.

Und wie sowas aussah, das war für Hanna sonnenklar: Abends artig schlafen gehen, wie sie es zuhause mußte, das fiel ja wohl flach. Wozu zeltete man schließlich, wenn man nicht bis in die tiefe Nacht irgend etwas unternahm - und sei es nur, bei Taschenlampenlicht sich die unheimlichsten Geschichten zu erzählen. Und natürlich hatte sie daran gedacht, den einen oder anderen Ausritt mit Faxi zu machen - ohne Mamas Wissen und wenn es ging auch ohne Sibylle. Nur, wie sie es anstellen sollte, Sibylle zu entkommen, das wußte sie selbst noch nicht. Auf keinen Fall wollte sie mit ihrer Freundin Streß haben. Im Notfall mußte sie eben mit Sibylle verhandeln und gewisse Kompromisse eingehen. Das wäre aber immer noch besser gewesen, als gar nicht mit Faxi auszureiten. Doch dann entwickelte sich alles ganz schnell und unerwartet günstig für Hanna.

Als sich die Mädchen für ihre erste gemeinsame Nacht in freier Natur in ihr Zelt zurückgezogen hatten, kam endlich die Zeit, wo man sich im Schein der Taschenlampe leise tuschelnd seine großen Geheimnisse anvertraute. Das ging natürlich nur, wenn man richtig dick befreundet war und auch nur allein nachts in einem Zelt!

Also sprachen sie erst einmal ein bißchen über alles Mögliche, über die Macken der Eltern, über die tollsten Starposter in der Bravo und auch über die doofen Klassenkameraden. Doch als es um die Klassenkameraden ging, konnte man Sibylles Worten schon entnehmen, daß sie ihrer Freundin irgend etwas ganz aufregend Geheimnisvolles anvertrauen wollte. Hanna begriff zuerst gar nicht den Sinn, als Sibylle plötzlich sagte: "Du, Hanna, weißt du schon das Neueste? Ich gehe seit dem letzten Schultag mit Janny." "Ey, toll", sagte Hanna spontan, verschluckte sich dann aber fast an ihrer eigenen Luft und blickte Sibylle ganz entgeistert an: "Was hast du gesagt? Du gehst mit Janny?" Sibylle nickte und ihre Augen strahlten, wie nur die Augen von verliebten Mädchen strahlen konnten. Das machte Hanna unsicher und gleichzeitig verspürte sie ein wenig Eifersucht in sich aufsteigen. Janny war ein Supertyp. Der Mädchenschwarm in ihrer Klasse. Blonder Bürstenschnitt, Ohrenstecker, coole Klamotten und immer gut drauf. Und ausgerechnet den hatte sich Sibylle geangelt! Da mußte man ja neidisch werden! Auf jeden Fall schien in der Schule eine ganze Menge passiert zu sein, wovon Hanna nichts mitbekommen hatte. Sie fragte sich, ob es wirklich so gut war, wenn sie nur noch ihren Faxi im Kopf hatte. Vielleicht rauschte das Leben ja schon, ohne daß sie es merkte, an ihr vorbei und plötzlich war für sie von den Jungs keiner mehr übrig. Sie wußte ja nicht einmal, ob die Jungen aus ihrer Klasse sie überhaupt hübsch fanden. Jedenfalls hatte sie noch keiner von denen geküßt!

Doch ehe Hanna sich weiter mit solchen Gedanken und Zweifeln plagen konnte, sagte Sibylle etwas, das Hanna wie gerufen kam für ihre eigenen Pläne: "Du Hanna, Janny möchte sich gern morgen mit mir treffen...", sie druckste ein wenig herum, weil sie nicht wußte, ob sie Hanna vor den Kopf stoßen würde mit dem, was sie jetzt von ihr verlangte, "...ich habe mich mit ihm verabredet. Aber es darf keiner wissen; und ich gehe auch allein hin. Du kannst nicht mit." Sie blickte Hanna unsicher an und fügte eilig hinzu: "Ist aber nur morgen, weil meine Mutter nicht da ist und mein Vater ins Krankenhaus muß. Die anderen Tage machen wir dann alles zusammen, versprochen. Bist du mir böse deswegen?"

Hanna antwortete nicht sofort. Es war schon frustrierend, wenn die beste Freundin einen so einfach wegen einem Kerl im Regen stehen ließ! Andererseits, etwas Besseres konnte ihr doch gar nicht passieren! Also schluckte sie tapfer ihren aufkeimenden Neid herunter und sagte: "Mensch, ist ja prima! Toll, daß du dir den Janny geangelt hast!" Dann stupste sie Sibylle heftig gegen den Arm und sagte verschwörerisch: "Brauchst dir keine Gedanken machen wegen mir. Ich verrate dich bestimmt nicht. Freundinnen müssen schließlich zusammenhalten."

Sibylle hatte nicht soviel Verständnis von Hanna erwartet und drückte sie übermütig vor Freude an sich: "Das ist ja so toll von dir! Du kannst dir gar nicht vorstellen wie sehr ich mich auf Janny freue. Er ist ja so'n Supertyp!" Hanna nutzte Sibylles Hochstimmung aus und sagte: "Ich habe morgen auch was vor. Ich sage es dir, aber nur, wenn du mir schwörst, daß du mich auch nicht verrätst." "Na klar! Ich schwöre" sagte Sibylle nickend. Egal was Hanna tun wollte, sie würde ihr jeden Schwur leisten, solange sie nur ungestört mit ihrem Janny zusammensein konnte. "Was willst du denn machen?" Hanna beugte sich zu Sibylle hin: "Ich mache mit Faxi einen Ausritt. Allein. Mama ist ja zur Zeit nur noch mit Thomas unterwegs und allein darf ich nicht ausreiten. Aber ich hab' es schon mal gemacht und es war megastark!" "Das ist aber ziemlich gefährlich", gab Sibylle zu bedenken und zog ein sorgenvolles Gesicht. Wenn Hanna nun etwas zustieß und sie hatte von ihrem heimlichen Ausritt gewußt... was würde dann Hannas Mutter sagen? "Willst du dir das nicht noch mal überlegen?" fragte sie vorsichtig, "wenn du nun von Faxi fällst und dir was brichst?" "Mensch, Sibylle", maulte Hanna, "jetzt redest du schon wie meine Mutter! Ich finde das unfair, wenn du petzt. Dann verrate ich auch, daß du dich mit Janny triffst." "So war das gar nicht gemeint", lenkte Sibylle sofort ein, "ich hatte überhaupt nicht vor, dich zu verpetzen." "Dann ist ja gut", antwortete Hanna etwas beleidigt, aber schon nach wenigen Minuten war die Mißstimmung, die sich zwischen die beiden Mädchen gelegt hatte, wieder verschwunden. Sie steckten die Köpfe zusammen, tuschelten und kicherten und freuten sich wie verrückt auf den nächsten Tag.

Schon als Hanna Faxi sattelte, spürte sie, daß ihr Liebling nicht so ruhig war wie sonst. Er wich zur Seite aus, sobald er den Sattel auf seinem Rücken spürte und auch die Trense schien ihm heute zuwider. Hanna hatte jedenfalls große Mühe, Faxi das gebrochene Metallmundstück zwischen die Zähne zu schieben. Das Verhalten des Pferdes hätte Hanna Warnung sein müssen. Natürlich wußte sie, daß auch Isländer keine stumpfsinnigen Maschinen sind. Sie wußte, daß auch Islandpferde, wenngleich sie im Charakter ruhig und ausgeglichen waren, ihre guten und auch schlechten Tage haben konnten. Und wie es schien, hatte Faxi heute einen nicht ganz so guten Tag. Aber Hanna wollte ausreiten - auf Biegen und Brechen. Also ignorierte sie einfach Faxis Stimmungslage, zog sich in den Sattel und ritt vom Hof.

Die erste Viertelstunde lieferte sich Faxi mit seiner Reiterin eine ziemlich heftige Auseinandersetzung über den richtigen Weg. Wollte Hanna nach rechts abbiegen, meinte Faxi, die entgegengesetzte Richtung einschlagen zu müssen. Trieb Hanna ihn geradeaus, versuchte er, die Abkürzung über den Rübenacker zu gehen. Auch mißfiel es ihm, im gemächlichen Schritt den Berg zu erklimmen, wo er doch viel lieber wie der geölte Blitz losgerannt wäre.

Hanna standen bereits erste Schweißperlen auf der Stirn und die Oberschenkel taten ihr weh. Für einen Augenblick überlegte sie, ob sie das Unternehmen Ausritt lieber abbrechen sollte, denn langsam wurde ihr etwas mulmig zumute. Doch, als hätte Faxi die Gedanken seiner Reiterin erahnt, gab er den Kampf gegen sie auf, schnaubte zweimal heftig und verfiel in einen ruhigen, weichen Schritt. Auch Hanna fühlte, wie sich Faxi zwischen ihren Schenkeln entspannte und atmete spürbar erleichtert durch. Es würde doch noch ein schöner Ausritt werden. Da war sich Hanna jetzt ganz sicher. Je näher die Zwei dem Wald kamen, desto mutiger wurde Hanna. Hatte sie zunächst nur vorgehabt, die bekannte Runde am Waldrand entlang zu reiten, so fand sie diese Strecke auf einmal viel zu kurz. Faxi ging jetzt viel zu gut, als daß sie den Ritt schon nach so kurzer Zeit beenden wollte. Sie war wie berauscht von dem Duft, der von den Feldern und Weiden herüberwehte, der wiegende Schritt ihres Faxi gab ihr ein wohliges Gefühl. Hanna wünschte sich, dieser Ritt würde nie mehr aufhören - jedenfalls nicht schon nach einer halben Stunde. Also folgte sie dem Weg kurzerhand geradeaus in den Wald hinein, anstatt abzubiegen und am Waldrand entlang zu reiten. Sie machte sich keine Gedanken darüber, wie sie wohl wieder zurück kam, denn sie kannte sich hier überhaupt nicht aus. Aber allzu tief wollte sie ja nicht in den Wald reiten und außerdem - wenn sie sich nicht vom Weg entfernte würde sie schon irgendwo wieder auf freies Feld gelangen.

So ritt sie einfach weiter, mal trabte sie oder töltete, wo es sich anbot, aber die meiste Zeit ließ sie Faxi im Schritt gehen und sich auf seinem Rücken sanft hin und her schaukeln. Die milde Luft und das leise Rauschen der Buchenblätter taten ihr übriges, daß Hanna langsam aber sicher mit ihren Tagträumen davonschwebte und kaum noch wahrnahm, was um sie herum passierte. Als Hanna das plötzliche Aufblitzen aus den Augenwinkeln heraus registrierte, eher unbewußt, denn wirklich, war es bereits zu spät. Auch Faxi hatte den Blitz wahrgenommen und erschrak sich heftig. So heftig, daß er einen gewaltigen Satz zur Seite machte und dann einige Galoppsprünge nach vorn. Hanna verlor das Gleichgewicht und stürzte mit einem spitzen Aufschrei zu Boden. Noch im Fallen blickte sie zu Faxi, der aber sofort stehenblieb und sich seiner Reiterin zuwandte. Es dauerte ein paar Schrecksekunden, in denen Hanna regungslos am Boden liegenblieb und versuchte, zu begreifen, was geschehen war. Dann setzte sie sich auf und bewegte alle ihre Gliedmaßen ein wenig. Gott sei Dank, es schien nichts gebrochen zu sein. Aber ihr Oberarm schmerzte, und zwar heftig. Ein Blick verriet ihr sofort, daß nicht nur der Ärmel ihres T-Shirts zerrissen, sondern auch die Haut bis zur Schulter aufgeschürft war. Jetzt, wo sie die Bescherung sah, tat ihr der Arm noch mehr weh. Das Blut, was langsam aus der Wunde sickerte und die Schürfstelle rot färbte, ließ Hanna zittern. Am liebsten hätte sie laut aufgeschrieen. Aber wer sollte sie denn hören? Plötzlich stand da dieses Mädchen neben ihr. Hanna hatte es nicht kommen sehen und auch nicht gehört. Es war einfach da. "Ein Engel", dachte Hanna erschrocken und verwundert zugleich. Das Mädchen bückte sich zu ihr herunter: "Komm, ich helfe dir hoch." Vorsichtig wurde sie unter die Arme gefaßt und hochgezogen. Hanna half dem Mädchen, indem sie sich mit den Füßen abstützte. Als sie stand, durchfuhr es sie wie ein Blitz: "Faxi!" Sie brauchte sich keine Sorgen zu machen, denn Faxi stand keine zwei Meter von ihr entfernt mit am Boden hängenden Zügeln und betrachtete neugierig das seltsame Mädchenpaar. Hanna löste sich aus den Armen des fremden Mädchens und stolperte auf Faxi zu: "Faxi, mein Guter, ist alles in Ordnung mit dir?" Besorgt ging sie um ihn herum, tastete seine Beine ab und vergaß für einen Augenblick ihren eigenen Schmerz. Erst als sie überzeugt war, daß sich Faxi keine Verletzung zugezogen hatte, nahm sie ihn am Zügel und blickte zu dem fremden Mädchen hin. "Danke", wollte sie gerade sagen, "danke, daß du mir geholfen hast." Aber sie sagte es nicht, denn in dem Moment, wo sie den Mund aufmachte, blitzte es wieder. Nicht so überraschend, denn Hanna erkannte sofort die Ursache: Das Mädchen hielt eine silberfarbene Thermoskanne in der Hand und das Sonnenlicht brach sich darin. Hanna kombinierte schnell und dann sagte sie aufgeregt: "Du... du bist schuld, daß ich von Faxi gefallen bin. Du und deine Thermoskanne!" Das Mädchen riß die großen, braunen Augen noch weiter auf. "Wieso? Wieso bin ich schuld, daß du vom Pferd gefallen bist?" fragte das Mädchen verständnislos. "Na deine Kanne", sagte Hanna, "diese blöde Thermoskanne hat Faxi geblendet und er hat sich erschrocken. Ich konnte ihn nicht mehr halten!" "Faxi? Heißt dein Pferd so?" Hanna nickte. Das Mädchen trat auf Faxi zu und streichelte ihm die Nase. Faxi schien es zu gefallen. "Das ist ein schönes Pferd", sagte das Mädchen verträumt. "Jahaaa", echote Hanna, "das ist ein Isländer!" Eifersüchtig drängte sie sich zwischen das Mädchen und Faxi. "Was machst du eigentlich hier mit deiner komischen Thermoskanne? Sammelst du Beeren?" Hanna verzog die Mundwinkel zu einem spöttischen Grinsen. "Ich hole Wasser", antwortete das Mädchen, "da unten ist eine Quelle." Sie deutete den Hang auf der anderen Wegeseite hinunter. "Wozu brauchst du denn Wasser?" fragte Hanna. Jetzt wurde sie doch neugierig. "Zum Trinken natürlich!" Das Mädchen blickte sie fast empört an, so als wollte sie sagen: "Wie kann man nur so was Blödes fragen!" Aber das sagte sie dann doch nicht. Statt dessen musterte sie Hannas Schürfwunde und meinte: "Mit dem Wasser könnte ich auch deine Kratzer da am Arm ein bißchen sauber waschen, bevor es sich entzündet. Sieht ganz schön übel aus." Erschrocken faßte sich Hanna an den Arm: "Meinst du?" Das Mädchen winkte ab: "Nein, so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Warte hier, ich bin gleich wieder da." Mit diesen Worten ließ sie Hanna stehen, lief über den Weg und stolperte und rutschte dann den Hang hinunter.

Hanna blickte ihr hinterher. Dieses Mädchen... irgendwie sonderbar. Warum lief sie hier mit einer Thermoskanne herum und holte Wasser? Was hatte sie überhaupt hier verloren? War sie auch mit einem Pferd unterwegs? Nein, natürlich nicht! Es war ja weit und breit außer Faxi kein Pferd zu sehen. Hanna strich ihrem Liebling durch die Mähne. So ganz allmählich wurde ihr klar, was alles hätte passieren können. Ihre Knie begannen zu zittern und sie mußte sich in das weiche Moos am Wegrand setzen. Faxi hielt sie immer noch am Zügel, fest entschlossen, ihn nicht weglaufen zu lassen. Aber der machte gar keine Anstalten, sich auch nur einen Schritt von Hannas Seite zu entfernen. Vielmehr hatte er den Kopf gesenkt und seine Lippen suchten emsig den Waldboden nach Freßbarem ab.

Die Minuten vergingen, ohne daß das Mädchen wieder auftauchte. Eigentlich müßte ich aufstehen, mich auf Faxi setzten und auf dem schnellsten Weg zurückreiten, dachte Hanna. Aber irgendwie fühlte sie sich wie gelähmt und schaffte es nicht, vom Boden hochzukommen. Außerdem brannte der Arm ganz fürchterlich und vielleicht hatte das Mädchen ja recht, wenn es meinte, die Wunde müsse ausgewaschen werden. Vielleicht würde sie ja eine Blutvergiftung bekommen, wenn sie nicht sofort erste Hilfe erhielt. Hanna begann gerade sich vorzustellen, wie sie, durch die Blutvergiftung verursacht, jammervoll dahinsiechte, als das Mädchen plötzlich wieder vor ihr stand. Hanna hatte sie auch dieses Mal nicht bemerkt und wunderte sich, wie sie es schaffte, sich so leise heranzupirschen. "Komm mit", sagte das Mädchen nur und zog Hanna mit der freien Hand vom Boden hoch. Hanna ließ es mit sich geschehen und folgte dem Mädchen. Faxi, dessen Zügel wie angenäht in Hannas Hand lagen, trottete brav hinter Hanna her. So bewegte sich die kleine Karawane schweigsam quer durch den Buchenwald mit seinen hohen, alten Bäumen. Das Laub am Boden, angesammelt über Jahre und Jahrzehnte, federte weich unter Füßen und Hufen, kleine, am Boden liegende Äste knackten, ab und zu wichen sie Baumstümpfen und Sträuchern aus. Dann versperrte ihnen eine kleine Fichtenschonung plötzlich den Weg. Das Mädchen orientierte sich nach links und nach ein paar Metern entdeckte Hanna eine fast zugewachsene Schneise. "Da müssen wir durch", sagte das Mädchen und zwängte sich schon durch die dichten Äste. "Aber Faxi...", wagte Hanna einen schüchternen Einwand, "wo willst du überhaupt hin?" "Wir sind gleich da", erwiderte das Mädchen, "bind dein Pferd doch einfach hier draußen irgendwo an." Das wollte Hanna allerdings nicht! Also zog sie ihn hinter sich her und hoffte, er würde nicht scheuen. Aber Faxi tat so, als habe er sein Leben lang nichts anderes gemacht, als durch dichtstehende Fichten zu gehen und folgte Hanna ohne Zögern.

Kaum zwanzig Meter waren sie gegangen, als sie plötzlich einen kleinen, von den Fichten umrahmten freien Platz erreichten, auf dem eine verwitterte Waldarbeiterhütte stand. Das heißt, eine richtige Hütte war es eigentlich gar nicht, sondern ein alter Bauwagen, von dem die grüne Farbe schon zum großen Teil abgeblättert war, mit rostigem Schornstein und platten Gummireifen. "Das hier ist mein Zuhause", sagte das Mädchen stolz und drehte sich mit einer raumgreifenden Handbewegung einmal um ihre eigene Achse. "Du wohnst hier?" fragte Hanna ungläubig und wähnte sich für einen Moment in einem Märchen. Das Mädchen nickte: "Ganz genau!" Dann lachte sie und fügte einschränkend hinzu: "Aber nur vorübergehend. Solange, bis Svenny kommt und mich abholt." "Das verstehe ich nicht...", murmelte Hanna tonlos. Das Mädchen lachte auf: "Geht dich eigentlich auch gar nichts an. Aber, wenn du artig bist und schweigen kannst, verrate ich dir ein Geheimnis. Obwohl...", sie legte den Kopf zur Seite und sah Hanna nachdenklich an, "...eigentlich weiß ich gar nicht, ob mein Geheimnis bei einem kleinen Mädchen wie dir gut aufgehoben ist. Aber da du jetzt schon mal da bist..." "Ich bin vierzehn", protestierte Hanna empört, "ich bin kein kleines Mädchen!" Auch wenn das fremde Mädchen einige Jahre älter zu sein schien, brauchte sie sich ihr gegenüber nicht so hochnäsig benehmen. "Okay, okay, ich wollte dich nicht kränken. Tut mir leid." Das Mädchen hob beschwichtigend die Hände. "aber jetzt komm' endlich mit 'rein, deine Wunde muß versorgt werden." "Die Wunde! Die Blutvergiftung!" schoß es Hanna durch den Kopf. Hastig schlang Hanna Faxis Zügel um die verrostete Deichsel des Bauwagens und folgte dem Mädchen über eine schmale, teilweise bereits morsche Holztreppe in den Wagen.



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