Teil
2 "Aller Anfang ist kurz oder wie bring ich´s meinem Isi
bei"
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[22.09.2000
• Text: H. Frie • Fotos: T. Frie] |
Nun
wollen wir endlich die ersten Schritte im sauberen Viertakt
des Tölts wagen. Doch, wie legt man eigentlich den vierten Gang
ein? Und, wird auch ein töltunerfahrenes Pferd diese Hilfen
sofort umsetzen können?
Breite Palette mit vielen Facetten - Kein Nonplusultra beim
Töltreiten
Die Tölthilfe des Reiters; der Weg, um es
den Isis beizubringen - Ja, wenn das alles so einfach wäre!
Erinnern wir uns an die erste Folge dieser Taktklar-Serie, in
der von der breitgefächerten Palette an unterschiedlichen Tölt-Typen
gesprochen wird - und dann erst mal an die verschiedenen Varianten
und Störungen, die auftreten können! Schnell wird deutlich,
dass Töltreiten sehr facettenreich ist und es keine genau vorgeschriebenen
Hilfen und festgelegte Wege gibt. Trotzdem ist in den Jahren
des Töltreitens auf dem Kontinent ein gewisser Kanon, ein gewisses
Repertoire an Grundregeln entstanden, nach denen sich die meisten
Islandpferdereiter richten und, die sich als sinnvoll erwiesen
haben.
Fangen wir also mit dem Töltreiten und dessen Hilfengebung an,
bevor wir an die Ausbildung des Vierbeiners gehen.
Locker-leicht oder fest im Sattel?- Sitz und Reitweise
Warum es sich eigentlich nicht bequem im Sattel machen, mit
leicht gerundetem Becken und tief und nach vorne durchgestreckten
Füßen, wie (früher) manch isländischer Bauer?
Nun, ja. Ist ein passender Untersatz, sprich Pferd mit genügend
natürlichem Gang, vorhanden und reitet man vorwiegend über weite
Hochlandflächen so mag diese Form zu sitzen genügen. Wollen
wir jedoch gezielt die Gangarten aus unserem Vierbeiner herauskitzeln,
ihn gymnastitzierend fördern und zudem Pferde mit nicht so viel
natürlichem Gangwerk ausbilden, so müssen wir eine Sitzweise
finden, bei der mehr Gewicht und Schenkel zum Einsatz kommen.
Schön wäre es doch auch, wie beim Westernreiten locker-lässig
ohne viel Hilfengebung durch die Lande zu tölten - oder nicht?
Schulen wir den Vierbeiner so, dass wir nur dann mit einem kurzen
und eindeutigen Signal auf unser Pferd einwirken, wenn er ein
Kommando erhalten soll und verhalten uns danach passiv, ist
das eigentlich eine feine Sache. Kommen wir jedoch zum Tölten
wird es widersprüchlich: Setzen wir uns nämlich im Sattel ein,
nehmen die Zügel etwas an und treiben zugleich, um das Pferd
zum Tölt zu animieren, so gehen wir gegen das Prinzip des Reitens
mit klar, abgegrenzten Signalen vor. Zügel und Schenkel wirken
im Tölt zugleich ein, aber der Reiter will weder langsamer,
noch schneller reiten, sondern die Fußfolge zum vierten Gang
verändern - sehr verwirrend für in dieser Weise ausgebildete
oder auch junge Pferde.
Hat das Pferd genügend Naturtölt wirkt sich das Tölten jedoch
kaum negativ auf die Ausbildung im Signalreiten/Westernreiten
aus. Schwieriger wird es bei der Ausbildung von Isis mit wenig
natürlicher Göttergabe: Hier kommen wir oft um eine dressurmäßige
Grundausbildung nicht herum, um dem Pferd das Zusammenspiel
der Hilfen begreiflich zu machen - und sollten dazu den sogenannten
Vollsitz (siehe unten) einnehmen.
Nach einer erfolgreichen Grundausbildung im Tölt sollten die
meisten Isis dann soweit sein, dass wir sie streckenweise mal
am langen Zügel locker-leicht tölten oder mit einer Hand deutlich
vorgehen können, wie in der Töltprüfung 1.1 verlangt.
Vollsitz heißt die üblichste Sitzform beim Tölt- und
Dressurreiten und bietet uns die Möglichkeit exakt auf den Vierbeiner
einzuwirken.
Vollsitz - Das sieht dann so aus:
• Grundlage: die beide Gesäßbeinknochen und die mit ihnen
in Verbindung stehenden Schambeinäste
• Gesäß liegt bei losgelassener Muskulatur in voller
Breite im Sattel
• Oberkörper richtet sich aus der Hüfte heraus gerade
auf
• aufrechtes Becken
• Schultern möglichst natürlich fallen lassen und zwanglos
zurücknehmen
• Kopf frei und aufrecht tragen; Blick über den Pferdekopf
richten
• Oberarm hängt locker aus den Schultergelenken herab
• und der Unterarm legt sich mit dem Ellenbogengelenk
leicht an den Körper heran
• Hände werden geschlossen und senkrecht getragen; der
Daumen liegt leicht gekrümmt auf der leicht nach innen zeigenden
Zügelfaust. Die äußere Fläche von Unterarm, Handrücken und Zügel
soll eine gerade Linie zum Pferdemaul bilden
• Oberschenkel von der Hüfte aus so nach innen eindrehen
und zurücknehmen, bis sie mit ihrer inneren breiten Fläche flach
am Sattel liegen
• Knie soll sich ebenso flach und unverkrampft am Sattel
befinden
• Unterschenkel hängen vom Knie aus je nach Beinlänge
mehr oder weniger nach hinten weisend herunter; liegen zwanglos
an; der Sattelgurt sollte vor dem Unterschenkel sichtbar sein
• Füße: Spitzen weisen nach vorne; etwas anheben, so
dass der Absatz ohne Krampf den tiefsten Punkt des Sitzes bilden
kann.
Die Spannung steigt - Bitte Antölten!
Betrachten wir ein töltendes Pferd, so fällt die im Vergleich
zu den anderen Gangarten deutlich höhere Aufrichtung auf. Der
Isi scheint größer zu werden und erhabener vorwärtszugehen,
eine gewisse Körperspannung wird deutlich. Diese Spannung müssen
wir nun zum Antölten in unser Pferd hineinbringen, allerdings
ohne uns selbst zu verspannen und zu verkrampfen.
Gewöhnlich beginnt das Antölten im Schritt, der die gleiche
Fußfolge wie der Tölt aufweist und uns bei gesteigertem Tempo
leicht einen nahtlosen Übergang in die vierte Gangart erlaubt.
Hier eine Beschreibung der üblichsten Form:
• Als ersten Schritt muss sich unser Isi mehr aufrichten, dazu
verkürzen wir die Zügel vorsichtig und gleichmäßig.
• Um die Hinterhand, den Motor des Pferdes, in Gang zu bringen,
nehmen wie eine belastende Position etwas weiter hinten im Sattel
ein.
• Jetzt vermitteln wir dem Vierbeiner durch halbe Paraden: "Achtung,
gleich kommt was!" Halbe Paraden geben bedeutet, dass der Reiter
die Zügel bei abgekippten Becken und treibendem Schenkel (evtl.
auch Stimme/Gerte) kurz annimmt, um dann sofort mit den Hilfen
nachzulassen, wenn das Tier im Genick nachgibt. Zudem soll das
Pferd dadurch vermehrt auf die Hinterhand gebracht werden.
• Nun treiben wir unseren Isi durch leichten Druck der Unterschenkel
bei abgekipptem Becken in den Tölt, wobei wir bei sicheren Töltern
die Hand leicht öffnen können, während sie bei unsicheren Kandidaten
besser angenommen ist und erst dann nachgibt, wenn er töltet.
Natürlich können wir uns dem Tölt auch aus den anderen Gangarten
nähern, denn vom Paß, Trab oder Galopp gelangen wir über den
Paßtölt, Trabtölt oder eine Galopprolle idealerweise nahezu
fließend in die vierte Gangart. Trotzdem ist dies für den Einstieg
schon allein des erhöhten Tempos wegen, schwieriger als der
Start aus dem Schritt. Aus dem Schritt-Tempo heraus können wir
uns in Ruhe vorbereiten, den Schritt allmählich verkürzen, die
Spannung erhöhen und das Pferd in den Tölt gleiten lassen.
So viel zur Theorie. In der Praxis gestaltet sich das Antölten
für den zweibeinigen Anfänger oftmals schwieriger. Wer noch
unerfahren im Tölt ist, muss zunächst ein Gespür dafür entwickeln,
wie es sich richtig anfühlt - schließlich hat Tölten viel mit
dem Gefühl zu tun. Folglich wäre es ideal, wenn ein sicherer
Tölter, am besten Naturtölter, für erstes Fühlen zur Verfügung
steht. Weiß man wie es sich anfühlen soll, können dann die konkreten
Hilfen erlernt werden, mit denen auch schwierigere Pferde den
vierten Gang einlegen. Zudem verkrampft sich der Reiter unter
Umständen, wenn er anfangs versucht, unbedingt zu tölten, woraufhin
dann gar nichts mehr geht. Lernt er hingegen erst einmal auf
einem versierten Pferd zu spüren und zu genießen, bleibt er
später lockerer. |
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Muss
ein Fachmann ran? - Wer den Isi eintölten sollte
Wenn wir unseren Vierbeiner zum Tölten bringen wollen, sollten
wir einen wichtigen Grundsatz beachten:
Je weniger Naturtölt unser Isi vorweist, desto versierter
sollte der Reiter im Töltreiten sein und, desto länger wird
wahrscheinlich seine Ausbildung dauern.
Im Zweifelsfall und vor allem bei eigener Unerfahrenheit im
Töltreiten sollte man das Pferd lieber zu einem erfahrenen Bereiter
bringen, als selbst durch eine eventuell grobe Hilfengebung
das gute Vertrauensverhältnis und die bisherige Ausbildung in
Frage zu stellen. Und geben sie dann ihrem Pferd und dessen
Ausbilder Zeit und erwarten keinen Wundertölter in zwei Wochen.
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Wichtig
sind darüber hinaus Gebäude und Temperament des Tieres, wobei
Gebäudefehler wie ein tief angesetzter Hals das Eintölten erschweren,
viel Gehwille es jedoch erleichtern und wenig Veranlagung für
die Göttergabe oder Fehler im Exterieur ausgleichen können.
Wege aus dem Wirrwarr - Wie der Isi den Tölt besser versteht
Wie aus dem Antölten eines Pferdes (siehe oben) ersichtlich,
geht es beim Einlegen des vierten Ganges für den Reiter und
besonders das Pferd, um ein komplexes Zusammenspiel von Hilfen,
welches es zu verstehen gilt.
Besonders junge Pferde und solche, die bisher im Stil des Signalreitens
geritten wurden, haben also ihre Probleme mit dem Verständnis
für die Hilfengebung zum Tölt. Hier kann eine solide dressurmäßige
Grundausbildung Pferd und Reiter das Verständnis für das Zusammenwirken
der Hilfen vermitteln, den Pferdekörper geschmeidiger machen
und besonders die Hinterhand kräftigen, was für das Tölten ideale
Voraussetzungen schafft. Vor allem für Pferde mit wenig natürlichem
Tölt sollten die Grundlagen der Dressur Pflicht sein, wenn sie
ohne K(r)ampf eingetöltet werden sollen.
Wie lange man im Allgemeinem mit dem Eintölten warten muss oder
sollte - darüber können wieder keine verbindlichen Angaben gemacht
werden. Entfällt das Eintölten beim Naturtölter sozusagen, kann
man ein anderes Pferd mit genügend Veranlagung recht bald nach
der Grundausbildung zum Tölten animieren, während ein vielleicht
stark zum Trab tendierendes Pferd erst noch mehr Kraft und Kondition
braucht und zunächst mehr dressurmäßig ausgebildet werden sollte.
Für die meisten Isis kann jedoch gelten, dass sie zum Zeitpunkt
des Eintöltens zumindest die grundlegenden Reiterhilfen verstanden
haben sollten und sich ausbalanciert in den anderen Gangarten
bewegen können. Zudem ist eine gewisses Maß an Kondition für
erfolgreiches Tölten erforderlich.
Doch nicht nur der Zeitpunkt ist entscheidend: Der Ausbilder
muss versiert und überlegt vorgehen und spüren können, ob das
Pferd schon zum Tölten bereit ist oder ob es noch mehr Kraft
und Training braucht. Außerdem kommt es auch immer auf die Dauer
des ersten Trainings an, wobei man sich zunächst mit kleinen
Schritten, wenigen Metern, zufrieden geben sollte.
Aller Anfang ist kurz - Jetzt geht's los
Ein erster Töltversuch könnte dann so aussehen:
Der Reiter sucht sich ein leicht bergab führendes Wegstück mit
ebener und fester Bodenbeschaffenheit aus (für die meisten Pferde
ideal) und beginnt, den Tölt aus dem Trab heraus zu entwickeln.
Hierzu wird der Zügel verkürzt, der Vierbeiner bei erhöhter
Handhaltung etwas zurückgenommen und gleichzeitig mit Schenkel
und evtl. Gerte in den Viertakt hineingetrieben. Das Tier wird
im Trab-Rhythmus gestört und fußt mit der vorangetriebenen Hinterhand
nach der ihr diagonal gegenüberliegenden Vorhand auf - der Tölt
entsteht.
Nach regelmäßigem Training braucht der Ausbilder schließlich
nur noch leichte Hilfen, um den Vierbeiner anzutölten. Anfangs
nimmt der Reiter das vom Pferd angebotene Tempo an, bevor er
es später im Arbeitstempo trainiert und dann die Tempogrenzen
nach oben und unten ausweitet.
Die oben beschriebene Methode stammt aus der "Islandpferde Reitlehre"
von Andrea-Katharina Rostock und Walter Feldmann. Daneben gibt
es unzweifelhaft weitere Wege, den vierten Gang zu entwickeln,
wie es beispielsweise oft aus dem Schritt heraus geschieht.
Unsere ersten Versuche haben Pferd und Reiter jetzt hinter sich,
schauen wir im dritten Teil "Mehr Spaß statt Paß oder, was
tun wenn..." also auf das Ausmerzen von unerwünschten Varianten
und Störungen des Tölt-Taktes sowie auf die weitere Förderung
des Islandpferdes in der vierten Gangart. |
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