Island:
Das Traumland aller Pferde mit einem Leben in der Freiheit
riesiger Herden und unendlicher Weiten...?
Island: Das Land, in dem unsere geliebten Islandpferde halb
verwildert aufwachsen und sich die Bauern zum Fangen auf sie
schmeißen, wo sie schnell und mit Grobheit eingeritten werden
und schließlich ungestüme Reitpferde sind?
Dass die Wahrheit über die Insel und seine heißgeliebten Pferde
irgendwo dazwischen liegt und viele Vorurteile in die Mottenkiste
gehören, stellte die "Taktklar"-Redaktion auf ihrer jüngsten
Island-Tour mit Landsmót-Besuch zum krönenden Abschluss
fest.
• Bei einem Pferdenarren im Ölfus...
45 Kilometer hinter Reykjavík sind wir am Ziel: Ein großes
Schild am Straßenrand weist auf das Gestüt "Kvíarhóll" im
Ölfus bei Selfoss hin. Hier haben wir nach vortägiger Inspektion
von Pferden und Anlage einen Ausritt gebucht - Nicht ohne
Bedenken meinerseits! Werden wir mit den echt isländischen
Kollegen unserer Lieblinge zurechtkommen? Oder erwarten uns
scheue, ungestüm vorwärtseilende Pferde?
Doch Gunnar unser Reitbegleiter und Kvíarhóll-Mann stellt
von Anfang an klar: "I have no racing horses!" - Er hat keine
Rennpferde, vielmehr, so fährt er fort, seien sie alle lieb
und einfach zu reiten. Mit freundlichem Grinsen und einem
Islandspitz namens "Creamy" im Schlepptau führt er uns in
den Stall, wo zahlreiche Islandpferde in Boxen eingestellt
sind. Umständliches Fangen entfällt so, aber wohl ist mir
beim Anblick der Isis in den sehr kleinen Boxen nicht - oftmals
können sich die Tiere kaum umdrehen; nur ein Isabelle hat
ein geräumigeres Areal zur Verfügung. Und trotzdem: Der Stalltrakt
ist hell und sauber eingestreut, die Pferde gut gepflegt und
zutraulich, das Sattelzeug in ordentlichem Zustand. Und Gunnar
erzählt voller Begeisterung von seinen Pferden, während der
Islandspitz die Rösser neckt, indem er Ihnen ans Maul springt.
Beim Blick auf die Weiden und den Paddock rings um den Stall,
hoffe ich, dass die Reitpferde zumindest stundenweise freien
Ausgang haben...
Bevor er uns einen passenden Vierbeiner heraussucht, fragt
der Rittbegleiter nach unserer Reiterfahrung und, ob wir daheim
bereits Islandpferde geritten haben. Zufrieden stellt er fest:
"All no beginners" , mustert uns noch einmal und holt bewaffnet
mit Zaumzeug das erste Pferd für uns fortgeschrittene Reiter
heraus. Weiter geht´s in einen kleinen Vorraum, welcher eine
kleine Reithalle, Sattelplatz und Futterkammer zugleich beinhaltet.
Mit einer Wurzelbürste wische ich kräftig über den Rücken
"meiner" eleganten Rappstute mit lebhaftem Ausdruck, dann
hat der Kvíarhóll -Züchter bereits einen Sattel auf dem Arm,
den er auf die nun kreiselnde Stute auflegt. Das kann ja heiter
werden! - Unweigerlich flackern alte Vorurteile über Original-Isländer
auf.
Schon ermutigt uns Gunnar , die Reittiere hier im Vorraum
kurz zu testen; derweil will er den Isabellen für sich startklar
machen. Ich steige wie gewohnt von links auf und die Stute
bleibt brav stehen, danach will Sie jedoch los, nicht schnell,
aber los. "You don't have to worry about her! She is a very
nice horse!" - Unser Reitbegleiter sieht meinen skeptischen
Blick beim Versuch die Rappstute anzuhalten.
Als er das garagenähnliche Tor nach draußen öffnet, erwarten
wir den Beginn des Ausrittes, aber Gunnar reitet mit uns zuvor
noch auf der hauseigenen Ovalbahn, will sich vergewissern,
dass alle mit den Pferden klarkommen. Und wie kommen wir klar?
Gemütlich ist es mit "meiner" Stute, Treiben erwünscht, sogar
erforderlich. Brav schreitet sie voran, nur das Stehenbleiben
missfällt ihr. Ohne Probleme scheinen sich meine beiden Freundinnen
ebenso mit "Blesa" und "Rauður" angefreundet zu haben, wie
ein kurzer Seitenblick verrät.
Endlich dürfen wir hinaus und statt im rasanten Tölt, startet
unser Ausflug im gemütlichen Schritt entlang der Ringstraße,
wo Autos und Lastwagen in unverminderter Geschwindigkeit an
uns vorbeidonnern, was den Pferden nicht mal ein Wimpernzucken
ablockt. Bei frischen Temperaturen und mit vorübergehender
Regenpause wandert unsere vierer Gruppe weiter und ich beginne,
den Ritt zu genießen. Die Pferde suchen sich über glitschigem,
hügeligem oder nassem Untergrund den besten Weg und Gunnar
erzählt von "seinem" Hausberg, beantwortet all unsere Fragen
zu den Pferden und betet die Abstammung meiner Reitstute namens
"Hrund" herunter. Unvermittelt töltet er zwischendurch an
und alle Pferde gehen freiwillig zumindest ein Art Tölt -
Mein Stutchen töltet im Arbeitstempo taktklar voran, ohne
Hast und ohne viel Hilfengebung. "A very nice horse", bestätige
ich Gunnar, der gemütlich auf seinem Isabellen neben uns herreitet.
Plötzlich steuert der isländische Rittführer auf einen steilen
Hügel am geschotterten Wegesrand zu - Hier sollen wir rauf?
Aber nein, Pause ist angesagt! Gunnar springt ab und klingt
den Zügel auf einer Seite aus, damit sein Reitpferd besser
fressen kann; wir tun es ihm gleich.
Auch beim Heimritt zeigen sich unsere Vierbeiner sehr gehorsam:
sie drängen nicht nach Hause, kleben nicht aneinander; ohne
Murren durchqueren sie Pfützen, welchen unsere heimischen
Isis tunlichst ausweichen würden und auch ein kleiner Trab
ist drin.
Viel zu schnell gelangen wir wieder zur Hofauffahrt, die wir
bis zum letzten Meter im Tölt beschreiten. Nun lädt uns Gunnar
nochmals auf die Ovalbahn ein, wo wir noch einige Runden zum
Abschluss drehen. Zufrieden steigen alle ab, versorgen die
Tiere und nehmen Gunnars Angebot zur Besichtigung seiner Zucht
gerne an.
Also hieven wir uns über den Stacheldraht- und Schafszaun
zur Mutterstuten- und Jungpferdekoppel - Die gefahrenträchtige
Umzäunung erinnert mich wieder daran: Wir sind nicht in Deutschland!
Munter marschiert der stolze Züchter über die buckelige Wiese
und erklärt seine Zuchtphilosophie. Immer wieder stoppt er
bei einem Vierbeiner, um ihn näher zu charakterisieren, seine
Ahnen vorzustellen. Vorsichtig nähert er sich einigen Jungtieren,
kriecht schließlich über den Boden, legt sich neben ein fuchsfalbendes
Jungpferd und streicht ihm über die Stirn, was es vertrauensvoll
zulässt. Nach einem ersten Winter bei ihm im Stall seien sie
alle so zahm und doch zugleich noch genügend respektvoll.
Nicht zu viel Berührung und Kontakt, doch auch nicht zu wenig,
erläutet Gunnar sein Ausbildungskonzept für das Jungvolk.
Wir Fremdlinge dürfen sich ihnen ebenfalls freundlich annähern
und sie streicheln. Der Kvíarhóll-Mann wird indes nicht müde
von seinen Lieblingen zu erzählen, sei es über seine gute
alte "Drottning" oder die frisch geborenen Fohlen seines Hengstes
"Kólstakkur", der die bunte Farbpalette dieser Zucht ermöglicht.
Der Abschied von diesem wirklichen Pferdenarren fällt schwer,
aber ein Blick auf die Uhr mahnt zum Aufbruch, sollen heute
doch noch mit "Geysir" und "Gullfoss" zwei Sehenswürdigkeiten
des "Golden Circle" abgeklappert und zudem ein weiterer Pferdezüchter
besucht werden.

• Immer wieder Islandpferde...
Viel pferdiges gibt es für uns auch beim weiteren Aufenthalt
in Island zu sehen:
Wir besuchen die "Hestaskólinn" und dürfen dort Reynir Aðalssteinsson
live beim Unterricht einer Gruppe im Dressurviereck erleben.
Bedauerlicherweise sind die Boxen der Reitpferde hier besonders
eng, dunkel und die Einstreu verschmutzt; allerdings stehen
draußen einige Paddocks und Weiden bereit, auf denen sie hoffentlich
zumindest für einige Stunden täglich der Enge entkommen können.
Um die Verwandten ihres Pferdes "Gormur" sowie dessen Züchter
Valur persönlich kennen zu lernen, hat meine Freundin Maike
darüber hinaus einen Besuch auf "Gýgjarhóli" organisiert,
wo wir das isländische Landleben hautnah erleben können. Ein
Ausritt mit Pferdetreiben beweist wieder die Rittigkeit der
Islandpferde, die hier wirklich arbeiten und daher trittsicher,
zäh und frei von Unwilligkeiten wie Kleben an den Artgenossen
sein müssen.
Zudem begegnen Sie uns bei jeder Fahrt über Land: Islandpferde
in solch bunter Vielfalt und Schönheit, dass wir ins Schwärmen
geraten...
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