Cookie Consent by PrivacyPolicies.com




Es kann auch gut ausgehen - ein weiterer Kolik-Bericht
[28.01.2008 • Autor: Constanze Hennrich]


Nachdem ich den Bericht über den Verlauf der Darmverschlingung bei Hersir gelesen habe, musste ich daran denken, dass uns vor wenigen Wochen Ähnliches passiert ist.

Ein bei uns eingestellter 13jähriger Islandwallach zeigte an einem Freitagabend im Herbst plötzlich seltsame Anzeichen von Unruhe (Scharren, Ausspucken seines Futters, Herumlaufen in der Box), so dass wir noch einige Zeit länger als sonst im Stall blieben, um ihn zu beobachten. Da er dann plötzlich an Temperatur verlor und starken Durchfall entwickelte, jedoch keinerlei Darmgeräusche mehr zu vernehmen waren, riefen wir den Tierarzt einer nahe gelegenen Klinik. Dieser lachte erst als er ihn sah (mittlerweile fraß er wieder zögerlich und wirkte für Fremde normal), diagnostizierte dann bei der rektalen Untersuchung jedoch schnell eine Verstopfungskolik, die er mit einer Sondenspülung und Medikamenten entsprechend behandelte.

Am nächsten Tag war der Wallach morgens ganz ausgeglichen und freundlich, mittags um 2 schien auch noch alles ok. Die Temperatur war normal, der Puls ok und der Darm arbeitete hörbar. Um halb fünf kam dann plötzlich der Anruf der Besitzer, die ihn hatten spazieren führen wollen, dass er vor dem Stall zusammengebrochen sei und nun wie wild in der Box toben würde. Eine Tierärztin aus der Klinik (nicht der gleiche Tierarzt wie am Vorabend) sei da, komme aber nicht an ihn heran, weil er so aggressiv sei. Da ich den Wallach seit 8 Monaten als friedlich und eher scheu kannte, war mir klar, dass der Grund in starken Schmerzen liegen musste. Als meine Schwester und ich im Stall ankamen, war der Wallach von Kopf bis zum Schweif tropfnass geschwitzt, rannte gegen die Boxenwand, schmiss sich hin, erstarrte plötzlich und sprang plötzlich wieder auf. Eine rektale Untersuchung war laut Tierärztin in dem Zustand nicht mehr möglich, da sie nicht nah genug an ihn herankam. Ob eine Betäubung oder Schmerzmittel sinnvoll gewesen wären, würde ich heute mehr hinterfragen - damals hat man in der Eile einfach auf die medizinische Meinung gehört. Eine Infusion zu geben, war nicht möglich, da eine solche nicht in der Ausrüstung der Veterinärin enthalten war.

Als der Wallach dann ganz still und mit weggedrehten Augen am Boden lag, nur noch zitterte, resignierten Arzt und Besitzer. Der Klinikchef konnte nicht kommen, eine Kolik-OP in der besagten Klinik wurde von dort kategorisch abgelehnt, da nur der Nachtdienst da sei und nicht genug Erfahrung habe. Die nächste Klinik, die Koliker operiert, war 125 km weit weg. So vergingen Stunden, der Wallach verlor immer mehr an Kraft. Die Frage des Einschläferns wurde erörtert, die Ärztin war sich jedoch selbst nicht sicher, ob sie ein Pferd in dem Alter nun schon aufgeben solle, da ihrer Meinung nach eine OP zumindest eine Chance sei. Mein Vater, meine Schwestern und ich haben ihn dann nach kurzer Rücksprache und in einem lichten Moment des Wallachs mit vereinten Kräften in den Hänger bugsiert. Die 1,5 Stunden Fahrt überstand er mit letzter Kraft liegend im Hänger - jedes Poltern von hinten war für uns ein Grund zur Freude, da er offenbar noch lebte. Als wir ankamen, lag er im Hänger, trat um sich, stand dann aber mit Hilfe auf und lief auch fast ohne Unterstützung in den Behandlungsraum.

Der dortige TA machte uns wenig Hoffnungen, da er völlig dehydriert war und das Herz deutlich vernehmbare Probleme machte, der Darm bereits die Arbeit komplett eingestellt hatte und seine Blutwerte extrem schlecht waren, die Besitzer verneinten die Frage nach einer OP aus Kostengründen.  Es fiel uns sehr schwer, uns von ihm zu verabschieden.

Doch der Kleine hatte zum Glück mehr Kraft als wir gedacht hatten und wurde dank der Behandlung in der Klinik von Tag zu Tag wieder kräftiger. Nach 5 Tagen konnte ich einen abgemagerten, aber glücklichen Isi wieder nach Hause holen. Das Wiehern als er uns in der Klinik wieder erkannte, werden wir so bald nicht vergessen. Genauso wenig wie die Dankbarkeit für jede Zuwendung in den Wochen danach, in denen er noch viel Pflege, Extrafutter und ein besonderes Augenmerk brauchte.

Was ich damit sagen will - auch Tierärzte sind Menschen und machen Fehler. Auch an jenem Abend. Aber wenn man es merkt, muss man Eigeninitiative ergreifen und zur Not auch einen weiteren Arzt beiziehen bzw. auf das eigene Gefühl hören und auch ein Risiko eingehen - wir hätten ihn verloren, wenn wir ihn im Stall hätten liegen lassen. Die Hängerfahrt war ein hohes Risiko, doch letztendlich seine Chance. Wichtig ist nur, dass man nicht zu lange wartet.

Wir haben in jener Nacht nicht nur im Hinblick auf unsere Tierärzte viel gelernt, sondern auch im Hinblick auf die u.U. fehlende Einsatzbereitschaft und Handlungsunfähigkeit  der Besitzer. Der Wallach jedoch hat überlebt - vermutlich in erster Linie dank unseres schnellen Handelns. Mittlerweile wurde der Kleine verkauft - wir hoffen, dass er wieder ein schönes Zuhause gefunden und noch viele kolikfreie Jahre vor sich hat.








Artikel suchen
Suchen nach:

Familientreffen

Hengste und ihre Nachkommen
• Hengst-Rubriken
• Hengst-Liste
• Allgemeine Infos

Frühlingserwachen

Tranings-Tipps für Pferd und Reiter
• Übersicht
• Teil 1: Einleitung
• Teil 2: Grundlagen I
• Teil 3: Grundlagen II
• Teil 4: Gangreiten I
• Teil 5: Gangreiten II
• Teil 6: Ausblick