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Sommerekzem - Ein heikles Thema im Blickpunkt
[07.03.2002 • Autor: Hannah Frie]



Foto: H. Frie
Das Sommerekzem und vor allem die Zucht mit Ekzempferden sind unter Islandpferdefreunden besonders heikle Themen, welche in schöner Regelmäßigkeit immer wieder zu kontroversen, teilweise sehr emotional geprägten, Diskussionen führen. Die Meinungen reichen dabei von der Forderung über ein generelles Zuchtverbot mit Sommerekzemern bis hin zur Gleichgültigkeit oder Vertuschung seitens derjenigen
Pferdezüchter, die Ekzemer in der Zucht einsetzen.

„Taktklar“ wollte die Meinung eines Experten zum Thema „Sommerekzem“ hören und sprach mit Prof. Dr. Wolfgang Leibold, dem Leiter der Immunologie an der Tierärztlichen Hochschule in Hannover, über die Problematik der Zucht mit Ekzempferden und einen neuartigen Bluttest zum Nachweis der allergischen Reaktionsbereitschaft von Pferden.

Fragen der Zucht – Eine komplexe Angelegenheit

Nach wir vor ist auch für Tiermediziner die Frage nach dem Einsatz von Ekzempferden in der Zucht ein komplexes Thema, welches differenziert betrachtet werden muss.

So gibt es laut Prof. Dr. Wolfgang Leibold Hinweise aus der Literatur und aus Zuchtbeobachtungen, dass Nachkommen von einigen - aber längst nicht allen - Hengsten mit Sommerekzem vermehrt Sommerekzem aufweisen. Dem gegenüber steht eine große Zahl ekzemfreier Nachkommen von Deckhengsten mit Sommerekzem. Folglich stellt sich die Frage, in welchem Maße Erbanlagen (Gene) Einfluss auf die Ausprägung einer Allergie haben?

Wenn man von einer „Allergie“ spricht, muss man wissen, dass es sich hierbei im Prinzip um sinnvolle, ja lebenswichtige „normale“ Mechanismen des Immunsystems handelt, um beispielsweise Parasiten abzuwehren. Schießt dieses System jedoch über das Ziel hinaus und reagiert über, kommt es zu einer Allergie.

Wie jeder Vorgang im Körper sind auch allergische Reaktionen genetisch reguliert und zwar von einer Vielzahl von Genen. So spielen auch bei überschießenden Immunreaktionen, die das Sommerekzem bewirken, bestimmte Mechanismen eine besondere Rolle. Ihre Steuerung und die dafür verantwortlichen Erbanlagen sind noch weitgehend unbekannt. Heute ist nur so viel sicher, dass es kein generelles „Allergie-Gen“gibt, das man „einfach“ herauszüchten kann. Vielmehr muss mit einer größeren Zahl unterschiedlicher Gene gerechnet werden.

Zudem ist unbekannt, welchen Einfluss die Umwelt auf die Ausprägung einer Allergie hat. Wie Menschen, reagieren auch allergische Pferde nicht gleich auf alle Allergene: Es gibt Pferde mit Sommerekzem, die nur auf eine Art von Mücken allergisch reagieren. Ein Nachbarpferd auf der selben Weide hat ebenfalls Sommerekzem, reagiert mit dieser Mückenart jedoch nicht, dafür aber gegen andere Insekten. Beide sind Allergiker, jedoch gegen unterschiedliche Allergene. Sollen deshalb beide von der Zucht ausgeschlossen werden? Man könnte es bejahen, weil beide das Bild des Sommerekzems zeigen. Was aber ist mit einem dritten Pferd auf derselben Weide, das kein Sommerekzem, sondern Nesselfieber (Urticaria) - ebenfalls eine allergische Erkrankung - hat? Und wie steht es mit der Körung von Tieren, die weder Sommerekzem noch Nesselfieber haben, sondern gelegentlich einen „allergischen“ Husten als möglichen Vorboten für weitere allergische Erkrankungsformen zeigen? Solange man eine individuelle allergische Reaktionsbereitschaft nicht zuverlässig und empfindlich sowie möglichst frühzeitig erkennen kann, dienen „züchterische Maßnahmen“ mehr taktischen Absichten als einer erfolgreichen Minderung der Ekzemanfälligkeit. Zudem sind solide Behandlungsmöglichkeiten allergischer Tiere mit dauerhafter Heilung oder gar Maßnahmen zuverlässiger Allergievorbeuge noch nicht einmal erforscht.

Solange die Situation beim Sommerekzem so unklar ist, erachtet der Professor einen generellen Verzicht auf die Zucht mit Sommerekzemern für kontraproduktiv: Dadurch trete zum zweifelhaften Erfolg noch die Gefahr der Inzucht auf, wodurch wiederum andere, bisher verdeckte Krankheiten oder Erbfehler zum Vorschein kommen und intensiv vermehrt werden könnten. Diese negativen Auswirkungen der Inzucht hätten andere Tier- und Pferdezuchten bereits machen müssen.
Um gesunde und leistungsstarke Pferde zu züchten, rät Prof. Dr. Wolfgang Leibold stattdessen: „Eine breite Zuchtbasis bietet die größte Sicherheit“ – und ist der Ansicht, dass man mit den besten Pferden einer Rasse weiterzüchten sollte.

Neuartiger Bluttest zur zuverlässigen Bestimmung der allergischen Reaktionsbereitschaft von Pferden

Weiterhin berichtet der Professor von einem neuartigen, von der Forschungsgruppe des immunologischen Instituts an der TiHo-Hannover entwickelten Bluttest. Mit diesem Test ist es nun erstmals möglich, empfindlich und zuverlässig zu bestimmen, gegen welche Allergene das Immunsystem eines Pferdes überschießend reagieren kann und wie stark die aktuelle Reaktionsbereitschaft - der qualitative und der quantitative Sensibilisierungsgrad - ist. Das bedeutet für Sommerekzemer, dass man neben der klinischen Ausprägung auch feststellen kann, welche und wie viele unterschiedliche Insekten das Ekzem bei dem jeweiligen Pferd wirklich auslösen können. Dies hat wiederum Auswirkung auf die zu treffenden Maßnahmen.

Hierzu wird dem Vierbeiner 10 – 20 Milliliter ungerinnbares Blut abgenommen, mit dem im Reagenzglas durch den Zusatz verdächtiger Allergene eine künstliche Allergie-Reaktion ausgelöst wird, ohne das Tier zu belasten. Deshalb wird dieses Verfahren als FIT (funktioneller in-vitro Test) bezeichnet. Dabei sollen möglichst nur diejenigen Antikörper geprüft werden, die tatsächlich eine Allergiereaktion auslösen können, weil sie vom Pferd selbst auf die dafür verantwortlichen Zellen (Mastzellen und basophilen Granulozyten) gebunden wurden. Zu diesem Zweck werden vor Allergenzugabe möglichst alle freien Antikörper weggewaschen, die in sonst üblichen Allergietests untersucht werden, obwohl sie in freier Form ohne Zellen keine Allergie auslösen können. Um gezielt Auskunft über Stärke und Art der allergischen Reaktionsbereitschaft zu erhalten, wird nur die Reaktion derjenigen Zellen (basophile Granulozyten) beurteilt, die im Blut die für das Sommerekzem verantwortliche Form der Allergie auslösen können. Dies ermöglicht der mengenmäßige Nachweis der von den Antikörpern als Folgemechanismus auf den Kontakt mit dem Allergen freigesetzte Botenstoff Histamin, den nur allergieauslösende Zellen gespeichert haben. In anderen Verfahren bestimmte Leukotriene werden auch von weiteren Zellen im Blut freigesetzt, die mit der Allergieform des Sommerekzems nichts zu tun haben und auch bei nichtallergischen Reaktionen gebildet werden können.

Bisher wurden über 800 Pferde auf diese Weise im FIT untersucht: Bei etwa 90% der Pferde mit Sommerekzem war die Reaktion positiv, wenn nur eine Allergenpräparation aus Culicoides-Gnitzen eingesetzt wurde. Sommerekzemer waren aber zu 100 % positiv, wenn zusätzlich noch auf andere Insekten untersucht wurde. Dies beweist, dass unterschiedliche Insekten das Sommerekzem auslösen können. Da im FIT die Reaktionsbereitschaft (der Senisibilisierungsgrad) gemessen wird, erfasst er auch potentielle Allergiker zu Zeitpunkten, an denen sie kein Sommerekzem haben. Diese Möglichkeit nutzen bereits potentielle Pferdekäufer als ein weiteres Element der Ankaufsuntersuchung und lassen sich keine „allergische“ Katze im Sack mehr verkaufen. Da sich Untersuchungen im FIT nicht nur auf stechende Insekten, sondern inzwischen auch auf Milben, Schimmelpilze und Pollen erstreckt, kann man damit rechtzeitig klären, was ein Pferd an allergischer Reaktionsbereitschaft bereits vom Vorbesitzer mitbringt.

In wieweit sich der FIT auch für Voruntersuchungen von Importpferden aus Island eignet, wird derzeit noch geprüft.








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