Hörnchen heißt eigentlich Horn frá Hviteyrum und ist eine in Island gezogene Hrafn 802 frá Holtsmúla Enkelin. Hörnchens und mein Lebensweg kreuzten sich vor sieben Jahren, als ich auf dem damaligen Islandpferdehof Grawinkel im Raum Münster ein Praktikum absolvierte.
Es muss auch Anfang November gewesen sein, als ich mir in den Kopf setzte, ein eigenes Islandpferd haben zu wollen. In den vergangenen Wochen und Monaten hatte ich ja nun im Rahmen meines Praktikums viele verschiedene Pferde geritten und war mir ganz sicher, was ich von einem Islandpferd erwartete und wie ich mir mein Traumpferd vorstellte: Ein gut ausgebildeter, leicht zu reitender Wallach mit viel Tölt sollte es sein, natürlich nicht allzu teuer aber schon was Besonderes. Kurzerhand fuhr ich zusammen mit der damaligen Pächterin des Hofes, Katja Kleer, zum Wiesenhof in der Nähe von Karlsruhe.
Dort angekommen nahm ich, wie sich später herausstellen sollte, für den gesamten Rest des Tages zwei Mitarbeiter in Beschlag, die mir einige Dutzend Pferde vorstellten. So ritt ich einen Wallach nach dem nächsten im Gelände, besprach mich mit meiner Begleiterin, analysierte, verglich, erstellte Listen und war völlig unentschlossen. Mittlerweile war es 20h, alle Beteiligten waren bereits leicht angegriffen und ich meinem vorher definierten Ideal weiter entfernt als je zuvor, wie mir schien. Schlussendlich ließ ich mich darauf ein, die gesamte Palette der noch ungerittenen Jungpferde anzuschauen. Ein Pferd nach dem anderen wurde in die kleine Halle geführt und dort freilaufen gelassen – zunächst ohne Erfolg. Als dann einer der Mitarbeiter, der uns den Tag über begleitet hatte, eine relativ kleine, in der Dunkelheit eher unauffällige Rappstute aus dem Stall in die Halle brachte und dort vorstellte, wusste ich sofort, dass ich mein Pferd gefunden hatte. Objektiv gesehen widersprach diese Stute allerdings sowohl vom Ausbildungsstand als auch vom Preis meinen Vorstellungen, da sie noch nichts weiter konnte, als im Trab bzw. Galopp herumzulaufen. Aber Sie hatte etwas, was man einem Pferd nicht beibringen kann: Ein harmonisches Gebäude und viel „Spirit“. Sie war energiegeladen, ausdrucksvoll und zugleich einfach im Umgang und respektvoll dem Menschen gegenüber.
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| "Hörnchens" Fell schimmert im Winter rötlich. | |
Wieder zu Hause angekommen berichtete ich meinen Eltern und meiner Schwester von den Erlebnissen und stieß angesichts des Kaufpreises auf Unverständnis und Ablehnung. Meine Entscheidung aber war gefallen und am darauf folgenden Wochenende fuhr ich mit meinem Vater zusammen das Pferd abholen. Niemals zuvor war ich bei einer Autofahrt mit Hänger und Pferd dermaßen nervös, dass ich selbst nicht fahren konnte. Nach sechs Stunden kamen wir endlich auf dem Hof daheim an und brachten Hörnchen in ihr neues Zuhause.
Während des Einreitens bestätigte sich der erste Eindruck, dass Hörnchen ein fein zu reitendes Pferd ist. Allerdings wurde mir auch schnell klar, dass dank der ausgeprägten und guten drei Grundgangarten die Sache mit dem Tölt etwas schwieriger würde. Hörnchen hatte zwar von Natur aus relativ viel Tölt, neigte aber aufgrund ihrer extremen Wendigkeit und der schnellen Reaktionen dazu, sich diesem Gang zu entziehen, sobald die Bewegungen lockerer und weiter wurden.
Im Mai 1999 war es dann soweit, dass ich Hörnchen von Katja Kleer auf der Materialprüfung in Isernhagen vorstellen ließ, ohne eine Ahnung, wie schwierig es mit einem viergängigen Pferd ist, die magische Grenze von 8,00 Punkten in der Gesamtnote zu erreichen. Doch Hörnchen belehrte mich eines Besseren. Mit einer Exterieurnote von 8,22 und einer 7,91 für Reiteigenschaften (Schritt: 8,50; Tölt: 8,50; Trab: 8,17; Pass: 5,00; Galopp: 8,17; Temperament: 8,17; Charakter: 8,00; Form u. d. Reiter: 8,17) erreichte sie 8,04 als Gesamtnote. Die Richter bestätigten meinen ersten Eindruck von Hörnchen mit dem Satz: Ausdrucksvolle, harmonisch gebaute Viergangstute mit vier gleichmäßig guten Gangarten bei klarer Trennung.
Bis heute habe ich wenig Pferde gesehen, die einen so einwandfreien Charakter haben, fleißig und immer bestrebt sind, es dem Reiter recht zu machen, und dieses gewisse Etwas, diesen „Spirit“ in den Augen haben – eben ein echter Gædingar.